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Berlin: Polizeipräsident kritisiert Stadtplan des Verbrechens

Forscher haben 600 Berliner zu ihren Kriminalitätserfahrungen befragt Auch Meinungsforscher halten die daraus erstellten Karten für unseriös

Bunt gescheckt sieht er aus, der neue Kriminalitätsatlas für Berlin: Die roten Tupfer auf dem Stadtplan stehen für eine Straftat, die gelben für die gesetzestreue Welt – es ist gewissermaßen das farbige Abbild der Antworten von 600 Berlinern. So viele Menschen hat das Max-Planck-Institut in der Stadt befragt über ihre Erfahrungen mit Raub, Diebstahl oder Graffiti und dann daraus für jedes Delikt einen Verbrechensstadtplan erstellt – was bei Meinungsforschern aufgrund der kleinen Befragtengruppe nicht gut ankommt. „Das ist abenteuerlich“, sagt Richard Hilmer vom Institut „Infratest Dimap“, „der schiere Zufall“. In die gleiche Kerbe schlägt Polizeipräsident Dieter Glietsch, der die Auswertung aus diesem Grund als „völlig unbrauchbar“ bezeichnet.

Bereits Mitte der Woche hatte das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht seine Studie „European Crime and Safety Survey“ (EU ICS) vorgestellt: 19 Prozent der Berliner haben demnach im Jahr 2004 angegeben, innerhalb der vergangenen zwölf Monate Opfer einer Straftat geworden zu sein; erfasst wurden Diebstähle, Einbruch, Raub, sexuelle Übergriffe und Körperverletzung. Demnach landet Berlin auf Platz zehn von 18 untersuchten Hauptstädten in Europa. Neu an der Studie ist, dass nicht die Zahlen von Straftaten miteinander verglichen wurden, sondern die Wahrnehmung der Hauptstädter. So wurden die Teilnehmer beispielsweise befragt, ob ihnen in ihrem Kiez ein reger Drogenhandel (65 Befragte gaben als Antwort „oft“ an, 426 „nie“) oder besonders viele Graffiti (118 oft, 72 nie) aufgefallen sind. Es wurde nach Abfällen in der Nachbarschaft (58 Mal „oft“, 151 Mal „nie“) gefragt und Geschwindigkeitsüberschreitungen (136 Mal oft, 45 Mal nie). „Die einzelnen Stadtpläne spiegeln die Wahrnehmung wider“, sagt Hans-Jörg Albrecht von der Kriminologischen Forschergruppe des Max-Planck-Instituts. Und diese Erkenntnisse würden einen „interessanten Zugang“ bieten, unter anderem für Stadtentwicklung und Politik. Der Ansatz der neuen Studie wird auch von „Infratest“ begrüßt. Laut Hilmer sei der Vergleich zwischen objektiven und subjektiven Daten tatsächlich „sehr spannend“ und könne wichtige soziologische und politische Erkenntnisse bringen – aber nicht, wenn man 600 Befragte auf fast das gesamte Straßennetz Berlins herunterzubrechen versucht. „Das ist unseriös.“ Als zudem „wenig hilfreich“ bezeichnet Glietsch die Erstellung der Stadtpläne, da sie eine „übertriebene Kriminalitätsfurcht“ schüren könnten.

Im internationalen Vergleich ist der Studie zufolge London europäischer Spitzenreiter in Sachen Kriminalität, gefolgt von Tallinn und Amsterdam. Auf eines legen selbst die Forscher vom Max-Planck-Institut wert: Man sollte ihre Datensätze nicht als Spiegelbilder der tatsächlichen Kriminalität verstehen. Denn nach aller Erfahrung klafft zwischen dem subjektiven Sicherheitsgefühl und der tatsächlichen Gefahr eine große Lücke.

Mehr im Internet unter:

www.mpicc.de/ww/de/pub/forschung/forschungsarbeit/kriminologie/archiv/attitudes.htm

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