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Berlin: Polizeitaktik hat ein politisches Nachspiel

Schon jetzt ist klar, dass der 1. Mai wieder ein politisches Nachspiel haben wird.

Schon jetzt ist klar, dass der 1. Mai wieder ein politisches Nachspiel haben wird. Bereits nach den Ausschreitungen der Walpurgisnacht dreht sich die Auseinandersetzung um den Sinn der Deeskalationsstrategie. Die CDU bezweifelt dieses Konzept des rot-roten Senats, die SPD hält es weiterhin für richtig. Einig sind sich jedoch alle in der Bewertung, dass die Polizei die Stimmung eben nicht angeheizt, sondern äußerst besonnen gehandelt hat. Im Übrigen müsse man die Nacht des 1. Mai abwarten. Die Vorgabe von Innensenator Ehrhart Körting, der an der Deeskalationstaktik festhielt, lautete gestern unverändert: „Erst wenn alles vorbei ist, wird bilanziert.“

Die Polizei habe sich „sehr klug verhalten“, lobte SPD-Chef Peter Strieder: „So isoliert man die Gewalttäter, es kommt darauf an, ihnen kein Alibi zu bieten und dennoch jederzeit die öffentliche Sicherheit zu garantieren.“ Das Deeskalationskonzept sei nicht gescheitert“, sagt die Abgeordnete Heidemarie Fischer, innenpolitische Expertin der SPD. Tausende hätten friedlich demonstriert und gefeiert. Sie bedauerte die „sehr hässlichen Auswüchse“ der Walpurgisnacht durch Randalierer. „Deeskalation ist immer das richtige Konzept“, meint auch Klaus Uwe Benneter (SPD), denn die Polizei solle nicht Öl ins Feuer gießen, sondern für Ruhe sorgen. Der stellvertretende SPD-Chef Andreas Matthae, der am Oranienplatz ein Lokal besitzt, sprach von einer kleinen Gruppe „sprachunfähiger Randalierer“, die dort den Supermarkt gestürmt hätten.

Kritisch äußerte sich der desiginierte CDU-Chef Christoph Stölzl. „Gewaltfolklore hat mit Politik nichts zu tun, alles andere ist Lüge“, sagt er. Insofern sei das Wort Deeskalation „Unsinn gegenüber Leuten, die nur Randale und Plünderung wollen“. Der Staat müsse sich wehrhaft zeigen, die Polizei eine „eiserne Front für Ordnung und gute Sitten bilden“. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) warf Körting ein Scheitern der Deeskalationsstrategie „schon im Grundsatz“ vor. Der Senat habe ein falsches Ordnungsverständnis, das Polizeipräsenz als berechtigten Anlass zu Randale sehe. „Diese Sichtweise zeigt, dass der rot-rote Senat keinen wehrhaften Rechtsstaat möchte, sondern einen Staat der Beliebigkeit zu Lasten der rechtstreuen und rechtschaffenen Bürger.“ CDU-Fraktionsgeschäftsführer Frank Henkel sah die Skepsis der Union gegen das Deeskalationskonzept bestätigt.

Für den Mai-Veteran Wolfgang Wieland, Fraktionschef der Grünen, ist es mittlerweile egal, ob „CDU-Hardliner wie Dieter Heckelmann, Jörg Schönbohm oder Eckhart Werthebach Innensenatoren waren, oder ob es jetzt der liberale Sozialdemokrat Ehrhart Körting ist. Mit Chaoten hatte es noch jeder Innensenator zu tun, das lässt sich durch keine Polizeitaktik der Welt verhindern.“ Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Gerhard Vogler, meinte dagegen: „Was Körting hier gemacht hat, ist an Einfältigkeit nicht zu überbieten.“ Die politischen Vorgaben für die Polizei seien amateurhaft gewesen. Wohlwollende Worte fand der stellvertretende PDS-Vorsitzende Udo Wolf: „Als die Leute sahen, dass die Polizisten den Platz sicherten, statt ihn wie früher zu räumen, hat sich die Lage ganz schnell beruhigt.“ Strieder erwartet angesichts verletzter Polizisten auf jeden Fall politischen Streit. „Egal, was passiert, ich werde nach dem 1. Mai blass aussehen“, hatte Innensenator Körting prophezeit. Brigitte Grunert

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