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Berlin: Polizist erschoss sich auf der Wache

Der Freitod eines 43-jährigen Zivilfahnders ist schon der dritte Fall in diesem Jahr

Polizeioberkommissar Detlef Sch. war nicht im Dienst, als er am Mittwoch kurz vor 13 Uhr seinen Polizeiabschnitt 25 am Kurfürstendamm betrat. Der 43-Jährige suchte sich einen Raum, wo er alleine war. Plötzlich hörten Kollegen einen Knall. Als sie in das Zimmer rannten, war Detlef Sch. tot. Er hatte sich mit seiner Dienstwaffe erschossen.

Dies ist bereits der dritte Selbstmord eines Polizisten in diesem Jahr. Anfang Februar hatte sich ein 34-jähriger Polizeioberkommissar auf dem Dachboden der Kreuzberger Direktion 5 in der Friesenstraße erhängt. Nur einen Monat später erschoss sich ein 39-jähriger Polizeihauptmeister auf einer Toilette im Abschnitt 62 in der Marzahner Cecilienstraße.

Als Motiv vermutet die Polizeibehörde in allen Fällen „private Gründe“. Auch aus dem Kollegen-Umfeld von Detlef Sch. war dies zu hören: Der Vater von zwei neun und 17 Jahre alten Kindern soll frisch geschieden gewesen sein „und hat die Trennung nicht verkraftet“, sagte ein Beamter dem Tagesspiegel. Detlef Sch. war Leiter der Zivilfahnder des Abschnitts 25 und soll kurz vor seiner Beförderung zum Hauptkommissar gestanden haben. Der Abschnittsleiter wollte sich nicht zu dem Tod seines Mitarbeiters äußern.

Offizielle Erkenntnisse, ob sich Polizisten häufiger als Menschen in anderen Berufsgruppen das Leben nehmen, gibt es nach Polizeiangaben nicht. Es liegen auch keine gesicherten Zahlen zu Selbstmorden von Polizisten vor. Doch klar sei, sagt Sigurd Böhme vom Sozialärztlichen Dienst, dass „die Polizeibeamten einer viel höheren Belastung ausgesetzt sind als andere“. Die Anfeindungen auf der Straße, aber auch die Gewalt, die Polizisten im Dienst erleben, dürften nicht unterschätzt werden. Der Polizeiärztliche Dienst kümmert sich um private und berufliche Probleme der Beamten: Von der Hilfe bei traumatischen Erlebnissen bis hin zu Suchtproblemen. „Hinter der Uniform oder der Kripo-Marke steht auch nur ein Mensch“, sagt Böhme. Dies wirke sich oft auch auf das Privatleben aus. Bekannt sei zwar nicht, ob Polizisten sich häufiger als andere scheiden lassen. „Aber allein der Schichtdienst belastet viele Beziehungen sehr“, sagt Böhme. „Partnerschaftsberatungen“ werden nicht angeboten, aber die Sozialberatung der Polizei gilt auch für Angehörige der Beamten.

Eberhard Schönberg, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, lobt zwar die Sozialberatung, allerdings müssten die Beamten „von sich aus auf die Beratungsstelle zugehen“. Nicht jeder habe dazu den Mut. „Viele haben auch Hemmungen, sich einem Vorgesetzten anzuvertrauen“, sagt Schönberg. Dass die Behörde kurz nach einem Selbstmord so häufig rein „private Gründe“ vermutet, sieht Schönberg kritisch. „So schnell kann man das kaum sagen.“ Sozialberater Sigurd Böhme bestätigt: „Oft kommt Privates mit Beruflichem zusammen.“

Aufsehen erregten die Selbstmorde von vier Polizistinnen aus verschiedenen Bundesländern Mitte bis Ende der Neunziger Jahre. Ihre Motive: Mobbing am Arbeitsplatz. Unter den Opfern ist auch die Berliner Polizistin Stefanie L. Sie hatte sich im Juli 1997 erschossen.

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