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Berlin: Pollensturm - Mit den Birken ist es fast vorbei, doch bald kommen die Gräser

Mit etwas Glück können Pollenallergiker in den nächsten Tagen befreit aufatmen und die Sonne genießen. Der Grund: Die Birkenblüte geht ihrem Ende zu, und die Anfang Mai fällige Gräserblüte hat noch nicht begonnen.

Mit etwas Glück können Pollenallergiker in den nächsten Tagen befreit aufatmen und die Sonne genießen. Der Grund: Die Birkenblüte geht ihrem Ende zu, und die Anfang Mai fällige Gräserblüte hat noch nicht begonnen. Das Meteorologische Institut der Freien Universität Berlin hat an seinem Pollenflug-Messpunkt in Steglitz am 29. April noch 160 Pollen pro Kubikmeter Luft gemessen, am 1. Mai waren es nur noch 20. Gräserpollen wurden bislang noch gar nicht "gefangen", sagt Mitarbeiterin Petra Grasse.

Ruhe vor dem neuen Pollensturm also. Aber wie ist die Allergiewelle zu erklären, die noch bis vor einer Woche ganze U-Bahn-Wagons und Großraumbüros in Nies- und Tränentäler verwandelte? Verantwortlich dafür sei eine wegen des kühlen Frühjahrsbeginns leicht verspätete, dann aber in den heißen April-Tagen explosionsartig aufbrechende Birkenblüte, erklärt der Allergologe Michael Silbermann. Weil es dann tagelang nicht regnete, blieb die Pollenkonzentration in der Luft hoch. So reagierten auch Menschen, die unter schwachen Allergieformen leiden, mit Schleimhautentzündungen.

In seiner Praxis erlebt Silbermann in diesem Frühjahr viele Patienten, die ihre Allergien anders als im verregneten April 1999 erfolgreich mit homöopathischen Mitteln behandeln konnten, jetzt aber mehr denn je leiden. Wegen der anhaltend hohen Pollenmenge dürften die etwa 20 Prozent Heuschnupfen-Anfälligen unter der Bevölkerung Deutschlands auch tatsächlich erkrankt sein. In Berlin wären das bei 3,5 Millionen Einwohnern rund 700 000 Pollenallergiker. Diese Allergiker-Gemeinde wächst kontinuierlich, aber nicht etwa dramatisch, sagt Silbermann. Durch Umweltschäden werden die Nasenschleimhäute empfindlicher und die Pollen gleichzeitig dünnhäutiger. Sie platzen leichter auf und setzen ihre Reizstoffe schneller frei.

Frisch von den Pollen Heimgesuchte können sich bald auch vor guten Ratschlägen kaum noch retten. Seit einigen Monaten macht eine Salbe Furore, die eine einfache, aber geniale Lösung aller Heuschnupfen-Probleme zu sein scheint. Die Pollenschutzcreme "Simaroline" eines Homburger Arzneimittelherstellers wird als dünner Film in beide Nasenlöcher gestrichen. So soll verhindert werden, dass die Pollen mit der Nasenschleimhaut in Berührung kommen. Der Immunologe Holger Kiesewetter, Transfusionsmediziner an der Charité, verschreibt das Präparat bereits in seiner Allergie-Ambulanz und spricht von "guten Ergebnissen". Ein Charité-Kollege werde die Creme jetzt einer klinischen Testreihe unterziehen. In Apotheken ist das Präparat unter dem Namen "Immerfit" schon jetzt ein Renner. Die Herstellerfirma hat jetzt auch wieder geliefert. Der Berliner Arzneimittel-Großhandel Phönix verkaufte seit dem 26. April bereits 500 Tuben, sagt eine Sprecherin.

Allergologe Silbermann dagegen hält nichts von der Pollenschutzcreme. Es sei "medizinischer Humbug, sich die Schleimhaut vollzuschmieren", warnt der Arzt. Einerseits verliere die Nasenschleimhaut so ihre natürliche Filterfunktion, andererseits könne überhaupt die Nasenatmung eingeschränkt werden und die Allergene gelangten direkt in die Bronchien. Als wirklich neues Mittel werde derzeit ein Wirkstoff erprobt, der Eiweisskörper zerstört, die Entzündungsreaktionen der Schleimhäute in Gang setzen. Es solle 2001 auf den Markt kommen, werde jedoch sehr teuer sein und von Krankenkassen wohl nicht bezahlt.

Silbermann empfiehlt eine genaue Allergie-Diagnostik beim Facharzt. Wenn die Heuschnupfenkranken dann wissen, worauf sie allergisch reagieren, könnten sie im kommenden Jahr noch vor Ausbruch der Allergie prophylaktisch herkömmliche Mittel einnehmen. Erst wenn dies nicht ausreiche, solle eine Hyposensibilisierung über drei Jahre versucht werden.Mehr zum Thema im Internet unter www.zitty.de/2000/09/index.htm

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