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Berlin: "Pomp, Duck and Circumstance": Berliner - Eure Enten sind sicher!

Da ist der kulturell geneigte Zuschauer doch erst einmal baff: "Scheißteuer, aber saugut!" steht auf dem blau-gelben Aufkleber, der bald auch in Berlin für "Pomp, Duck and Circumstance" werben wird.

Da ist der kulturell geneigte Zuschauer doch erst einmal baff: "Scheißteuer, aber saugut!" steht auf dem blau-gelben Aufkleber, der bald auch in Berlin für "Pomp, Duck and Circumstance" werben wird. Klare Worte für eine aufwendige Show, die 1994/95 in Berlin ihren bislang größten Erfolg feierte. Hans-Peter Wodarz, der umtriebige Geflügel-Impresario, hat sich vom Absturz in Amerika prächtig erholt, tourt seit 1997 wieder durch Deutschland und fühlt sich und sein Programm nun reif für einen neuen Anlauf auf die Hauptstadt. Am 23. August geht es los, und die Premiere ist eine doppelte: Erstmals wird dann das Gleisdreieck, bislang Lagerplatz für die Baulogistik Potsdamer Platz, wieder öffentlich zugänglich sein; das wohlbekannte Spiegelzelt soll im "Möckernkiez", dem Gelände zwischen Yorck- und Möckernstraße in Höhe der Hornstraße stehen.

23.August: Das bedeutet auch, dass Wodarz seine gut geölte Werbemaschinerie in Richtung Berlin anwirft. In Frankfurt-Höchst, gleich neben der Jahrhunderthalle, laufen gegenwärtig die letzten Veranstaltungen, und in ihnen steckt schon viel Berlin. "Etwa 70 Prozent gehen mit", sagt Wodarz, der im Gespräch keine fünf Sekunden braucht, um seinen ungebremsten Spaß am Enten-Vergnügen zu vermitteln. Dabei wirkt die Frankfurter Variante im Vergleich zum alten Berliner Programm zwar vertraut, aber doch recht zahm, längst nicht so grell und schwarzhumorig. Maurice Fatal, der Brutal-Bocuse, schwenkt sein Hackebeilchen wie eh und je, aber es fließt weniger Blut, und auch die Liebe schlägt keine so heftigen Wunden wie einst. "Das konnten wir mit den Frankfurter Bänkern und ihren Gästen nicht machen und in München erst recht nicht", sagt Wodarz, "aber in Berlin müssen wir natürlich viel frecher sein".

Auffällig ist die gesteigerte Perfektion des Programmablaufs. Alles flutscht ohne Löcher, und die technisch notwendigen Pausen werden von den zahllosen Komödianten mit allerlei Hokuspokus überspielt - das ist fast schon etwas zu dicht, weil so kaum Raum für Tischgespräche bleibt. Die Grundelemente sind von vertrauter Heiterkeit: Neben den hochgradig perfekten "echten" Kellnern flegelt allerhand Comedy-Personal durch die Reihen, zwingt den Gästen Gaga-Debatten auf, lehrt ordentliches Benehmen und lärmt mit dem Akku-Staubsauger zwischen den Weingläsern herum. Die dicke Fioretta, mausartig piepsend, lässt ihren schmierigen Zuhälter stehen und geht alsbald mit den Gästen ihr Poesiealbum durch, Küchenchef Fatal bestraft das Bestellen von nicht-französischem Wein gern mit Todesdrohungen aus der Wasserpistole, Mister Hancock, der butlerhaft näselnde Oberkellner, muss seinen Sadismus in einer Sahnetorte büßen, und noch schlimmer ergeht es dem quertreibenden Steuerfahnder Siegmund von Treiber, der in einem improvisierten Boxring schwer auf die Zwölf bekommt - vorher hatte er die Gäste ein wenig durch den Abgaben-Kakao ziehen dürfen.

Vertraut auch das Essen. Die Karotten-Tomaten-Suppe, einst in Berlin noch rezeptuell schwankend, hat in ihren Tischbadewännchen zu so hoher Perfektion gefunden, dass die Küche ihr sogar mutig ein paar Ravioli zuordnet. Beim Fisch, mal gedünstet, mal gebacken, sind Varianten nach Marktlage normal, und die obligatorische Entenbrust überrascht in der Saison durch eine Spargelbeilage, die kulinarischen Beckmessern unpassend erscheinen mag - aber die sitzen hier ja sowieso nicht. Verblüffend immer wieder, wie die Küche in wenigen Minuten 400 Portionen in sehr anständiger Qualität herausschaufelt, verblüffend, wie der Service all das mit nahezu militärischer Präzision an jeden Tisch steuert, unterstützt durch die Künstler, die ohne Star-Dünkel überall mit anpacken.

Das Varieté-Programm ändert sich ständig, gerade jetzt vor dem Umzug nach Berlin, alte und zukünftige Bestandteile stehen nebeneinander. In Frankfurt wurde deshalb am Mittwoch möglicherweise ein wenig zu viel geturnt, und ein echter Höhepunkt war trotz durchgängig hoher Qualität nicht erkennbar. Doch bis Berlin sind es noch ein paar Monate, und die Regisseure David Shiner und Hans-Otto Reinsch werden noch das eine oder andere As aus dem Ärmel zaubern. Scheißteuer, aber saugut: Die Karten werden (ohne Getränke) 195, freitags und sonnabends 215 Mark kosten, Bier und Weine sind fair kalkuliert. Auf die Berliner Stellenanzeigen, raunt Wodarz, seien nicht nur viele Bewerbungen eingegangen, sondern auch schon 400 Reservierungsanfragen. Also rechnet er mutig mit einer Spielzeit von einem Jahr - kein Wunder, dass die Chefs der besseren Berliner Restaurants schon wieder Trübsal blasen und das Weihnachtsgeschäft abgehakt haben. Den Gästen mag das egal sein: Ihre Enten sind sicher.

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