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Aslan

© ddp

Porträt: Frieren für mehr Geld

Busfahrer Tuncay Aslan sieht keine Alternative zum Streik bei der BVG. Geldsorgen und die Angst vor Übergriffen kennzeichnen den Alltag des Familienvaters.

Wenn der Busfahrer von der Arbeit nach Hause kommt, schläft sein fünfjähriger Sohn meist schon. Tuncay Aslan arbeitet oft im Spätdienst, die Schicht endet gegen ein Uhr. Für das Familienleben ist das schlecht, doch der 42-Jährige übernimmt die späte Tour gerne. Für die Nachtstunden gibt es einen Zuschlag. "Ich sehe meinen kleinen Sohn zwar nicht, aber ich arbeite ja für die Kinder", sagt Aslan. "Ich kann auf das Geld nicht verzichten." Die beiden Töchter gehen zur Schule, sie machen bald Abitur. Die Mutter ist Hausfrau. Alle wohnen zusammen in einer Fünf-Zimmer-Wohnung. Aslan muss allein von seinem Gehalt Miete, Essen, Kleidung, Schulbücher und ein Taschengeld für die Kinder bestreiten.

Deshalb steht Aslan voller Überzeugung mit seinen Kollegen vor dem Betriebshof der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in Wedding in der Kälte und streikt für mehr Geld. Er hat sich in einen dicken braunen Anorak eingepackt und wärmt seine Hände an einem Plastikbecher mit Kaffee. Das Eisentor hinter ihm ist mit einem Schloss verriegelt, dennoch fährt Aslan pünktlich zum Dienstbeginn zu seinem Betrieb, um mit den Kollegen zu reden. "Man muss Solidarität zeigen", sagt er.

1600 Euro im Monat

Vor 37 Jahren ist Aslan aus der Türkei nach Berlin gekommen, knapp halb so lang arbeitet er als BVG-Busfahrer. "Ein Kumpel hat mir den Job empfohlen", erinnert er sich. Damals hatte Aslan gerade eine Ausbildung zum Technischen Zeichner abgeschlossen, doch nach der Geburt der ersten Tochter hoffte er auf ein besseres Einkommen bei der BVG. "Ohne Kindergeld komme ich jetzt auf 1600 Euro netto im Monat", berichtet der Busfahrer.

"Das Geld reicht hinten und vorne nicht", klagt er. Sein alter "Renault" stehe abgemeldet in der Garage. Steuer und Versicherung für das Auto seien zu teuer geworden. Und auch ein Urlaub sei nur alle zwei bis drei Jahre drin. Zwar könne die Familie bei Verwandten in der Türkei wohnen, doch alleine der Flug für fünf Personen koste zwischen 3000 und 4000 Euro. Auch seine Frau unterstütze den Streik, sagt Aslan. "Sie sieht ja auch, dass es nicht reicht."

Geldsorgen und Angst vor Attacken

Aslan hält sich nicht für ein Einzelbeispiel. Den Kollegen gehe es genauso, bei keinem bleibe auf dem Konto etwas übrig. Vor drei Jahren verzichteten die Beschäftigten im Gegenzug für sichere Arbeitsplätze auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Die Arbeitszeit wurde von 39 auf 36,5 Stunden reduziert und entsprechend das Gehalt gekürzt. Die meisten seien mit dem damaligen Deal unzufrieden, sagt Aslan.

Zu den Geldsorgen kommt bei dem Busfahrer die Angst vor Angriffen. "Die Gewalt hat rapide zugenommen", sagt er. Ein Kollege wurde mit einem Messer angegriffen und lag längere Zeit im Krankenhaus. Auch Aslan wird gelegentlich von Jugendlichen angepöbelt - weil der Bus zu spät kommt oder er aus der Türkei stammt. Als "blöder Ausländer" musste er sich bereits beschimpfen lassen. "Ich habe eine harte Schale", sagt der 42-Jährige. Er versuche, freundlich zu bleiben und sich nicht provozieren zu lassen. Wirklich attackiert worden sei er glücklicherweise noch nicht. Aslan zeigt schmunzelnd auf seinen kräftigen Bauch: "Sie haben vielleicht Angst vor meiner Statur."

Alles zusammengenommen mache ihm sein Job leider immer weniger Spaß, gesteht der 42-Jährige. "Ich bin froh, wenn ich nach Dienstende nach Hause komme." Plötzlich wird er ungeduldig, die Kollegen warten auf ihn. Auf der anderen Straßenseite hat die Gewerkschaft Verdi in der Kneipe "Zum Busbahnhof" ein Streiklokal eingerichtet. Dort wollen sich die Männer aufwärmen, denn ihre "Schicht" ist noch lange nicht vorbei.

Kathrin Hedtke[ddp]

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