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Portrait: Der kühle Kopf

Besucher anlocken, Geld einspielen: Margrit Hilmer ist Domkuratorin. Sie managt Berlins Vorzeigekirche.

Von Susanne Leimstoll

Die Frau versteht was von Gebäuden, von Bauzeichnung und Statik. Sie weiß, wann saniert werden muss und was so was kostet. Das Geld dafür steht nicht immer in Haushalten bereit, es muss rangeholt werden: mit Bettelbriefen, mit Überredungskunst. Da hilft ein guter Draht zu Sponsoren. Da ist es nützlich, wenn man Lions-Mitglied ist. Wenn man bei einer Abendveranstaltung mal kurz den Daimler-Vorstandvorsitzenden anspricht oder die BSR-Chefin und sympathiehalber Kontakte in die Senatskanzlei pflegt. Die Frau braucht Ideen, muss wissen, wie man einen Veranstaltungsort belebt und ihn beliebt macht. Welcher Job wäre mit ihrem vergleichbar?

Margrit Hilmer hätte eine große Konzerthalle managen können. Aber sie hat sich den Dom ausgesucht, im März 1997. Da war die „Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin“, das Sammelsurium architektonischer Stilrichtungen, der Kuppelbau mit Nachhall-Nachteil, noch kein Publikumsmagnet, sondern ein finanzieller Problemfall, der die unierte Evangelische Kirche einen Millionenkredit kostete und sie 1996 veranlasste, von Besuchern Eintritt zu verlangen. Ein Verwalter sollte her, am besten auf Zeit. Damit das Haus Geld einspielt, damit es ordentlich wirtschaftet. Margrit Hilmer, Ostgewächs aus dem Baumschulenweg, immer kirchlich engagiert, 1983 aus Gründen der Familienzusammenführung in den Westteil Berlins gewechselt, bekam die Stelle: Sie wurde Domkuratorin. „Als erstes habe ich die kaufmännische Buchhaltung eingeführt“, sagt sie.

Ihr Amt hat Bestand. Schnell mal den Betrieb ankurbeln plus ein bisschen Hausverwaltung funktioniert nicht bei Berlins Vorzeigekirche. Die rentabel zu betreiben, damit Touristen kommen, Konzerte lukrativ sind, Gruppen kostenpflichtige Veranstaltungen buchen, ist ein Dauerjob. Margrit Hilmer formuliert ihr Motto: „Nicht nur den Jedermann aufführen lassen, es sollte jedermann Zugang haben.“

Die Frau, junge 62, will alles möglich machen. „Geht nicht, gibt’s nicht“, sagt sie. Oder: „Was im Kopf ist, muss in die Hände.“ Sie sitzt, damenhaft, schwarzer Hosenanzug, Perlenohrringe, Pumps, im ausladenden Büro in Turm A hinter schwarzem Holz: fünf Meter Schreibtisch, Besprechungstisch mit 12 Stühlen. Kein unnötiger Luxus, die Möbel hat sie, die Sparkommissarin, aus dem Bestand einer Firmenauflösung besorgt. Den Ärger aus der Besprechung eben spült sie mit einem Schluck Wasser hinunter – und ist freundlich. Niemand ist ihr fremder als Bedenkenträger, begrenzt zu werden fällt ihr nicht leicht. Doch ihr Job ist es, die Balance zu halten. Der Berliner Dom ist kein beliebiges Konzerthaus, sondern „eine Stätte des Gottesdienstes“, wie es die erst 2001 installierte Domordnung formuliert. Ein „kulturelles Zentrum“ in Berlins Mitte, in dem nichts geschehen soll, das „im Widerspruch zum kirchlichen Charakter des Gebäudes steht“. Darüber wacht das Domkirchenkollegium, seit sechs Jahren Margrit Hilmers vorgesetztes Gremium. Eine ehrenamtliche Geschäftsleitung mit der liberalen Politikerin Irmgard Schwaetzer an der Spitze. Die Domkirchengemeinde floriert, sie ist von ehemals 420 auf 1060 Gemeindeglieder angewachsen. Das liegt nicht nur an wunderbaren Gottesdiensten, das macht auch der Stolz auf das wiederbelebte Haus, in dem eigentlich nur geistliche Musik erwünscht ist.

Margrit Hilmer hat deshalb den Flur über dem kaiserlichen Treppenhaus als Raum entdeckt – für Lesungen oder feine Dinner mit Konzert in der Tauf- und Traukirche. 300 bis 400 Euro pro Person sind Unternehmen die exklusiven Abende inklusive Menü mit biblischen Köstlichkeiten auf Tafelsilber wert. Mit den sommerlichen „Stufenkonzerten“, die es jetzt im zehnten Jahr gibt, weicht die Kuratorin nach draußen aus. Da folgt auf Kirchenmusik Glen Miller und am Ende tanzen die älteren Damen auf dem Rasen. Für den Schlechtwetter-Fall haben die Musiker und Sänger ein Zweitprogramm im Köcher, Glen Miller im Dom geht nicht. Teilnehmer von Kongressen lassen sich gerne in der Predigtkirche begrüßen. Macht 16 bis 18 Euro pro Person. Und das Team des Konzertbüros sorgt für gute Gastspielbelegung. „Ich brauche jeden Tag 11 000 Euro, um die Kosten zu decken“, sagt die Kuratorin.

Geld, das für den Bau und das Inventar her muss. Für die Sauer-Orgel, die nur noch tönt, weil 2004 eine Luftbefeuchtungsanlage angeschafft wurde. Für das „Tauben-Oberlicht“, das Fenster mit dem Heiligen Geist oben in der Kuppel. Es regnete herein, und als der Dombaumeister höher stieg, entdeckte er Schäden am vergoldeten Kupferblech der Laterne und am Kuppelkreuz. Nun wird das alles restauriert. Aber unten an Turm A schimmeln derweil die Wände. Sie holt den dicken Ordner mit Sponsorenanfragen für die 1,4-Millionen-Euro-Maßnahme. Die Arbeiten sind gesichert, das Geld ist fast beisammen. Da geben Land, Bund, Kirche, aber eben auch Spender. Das macht Margrit Hilmer stolz.

Der Job nimmt sie in Beschlag. Neulich kam sie um Mitternacht heim, tags darauf auch. Ihr Mann, 65, ist ihre Stütze, er hilft überall. Sie hat Ansprüche. „Seit er nicht mehr arbeitet, erwarte ich, dass er auf bleibt, bis ich komme.“ Freizeit? „Das gemeinsame Frühstück.“ Immerhin, sie leistet sich Klavierunterricht, besitzt „einen kleinen Yamaha“, spielt morgens und spät abends. Als der Gatte 60 wurde, bekam er einen Hund. Da ist er nicht ganz so viel alleine.

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