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POSITION: Vieles wurde erst einmal nicht gebaut

Warum sich der Kampf für den Bürgerentscheid gelohnt hat.

Vier Jahre nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid zur Spreeuferentwicklung gehen die Einschätzungen, was dieser gebracht hat, weit auseinander. Angesichts einiger realisierter Mediaspree-Projekte erscheint das Ergebnis für viele Aktivisten erbärmlich. Je weiter man aber deren Dunstkreis verlässt, desto positiver wird oft die Einschätzung. Denn Stadtentwicklung wurde wieder zum zentralen Thema, viele Neubauten am Spreeufer erst einmal nicht gebaut und die Zuständigkeiten wieder in die Politik zurückgeholt. Als Antwort auf den Bürgerentscheid richtete der Bezirk 2008 den Sonderausschuss Spreeraum ein, der auf Betreiben der Initiative hin die Planungen aufwändig und grundstücksbezogen auf Änderungsmöglichkeiten untersuchte. 2009 löste sich der Investorenverein Mediaspree auf.

Letztendlich wurde bestätigt, was die Initiative immer betonte – es war noch lange nicht zu spät für Umplanungen. Fast zwei Drittel der Spreegrundstücke waren damals noch im Besitz des Landes. Ernüchternd für viele Aktive war aber, dass vernunftsorientierte Lösungen durch Parteienkonkurrenz und die Befürchtungen des Bezirks, vom Senat die Planungshoheit entzogen zu bekommen, erschwert wurden. Tragisch war die Angst der damaligen rot-roten Landesregierung, sich politischem Druck „von unten“ und des „grünen“ Bezirks zu beugen und in der Öffentlichkeit als zu nachgiebig dazustehen.

Zum Gipfel der Ignoranz wurde der Verkauf des Grundstücks rund um den Kreuzberger Viktoriaspeicher durch die bereits abgewählte Regierungskoalition Ende 2011. Der Ideenaufruf Kreuzberger Ufer der Initiative hatte für dieses Grundstück über ein Jahr lang Ideen gesammelt, die dadurch obsolet wurden.

Dabei wurde dieses Grundstück schon einmal vor einer monströsen Bebauung bewahrt, nachdem eine britische Investmentgruppe ihr Bauvorhaben mit dem Bürgerentscheid zurückgezogen hatte. Ebenfalls 2008 fanden die Verkäufe des Postareals und des „Yaam-“Grundstücks statt. Die Entwicklung der Grundstücke stagnierte. Jetzt gehört das Postareal wieder der Post, die die geplanten Hochhäuser kürzen will. Und das Yaam besitzt einen derart unverzichtbaren Charme, den keiner für die Stapelung von Bürobruttogeschossflächen zerstören möchte.

Einen ähnlich angenehmen Stillstand gibt es dort, wo der Oststrand jeden Sommer seine Oase neu einrichtet. Auch hier vergeht den Eigentümern die Lust auf den Bau ihres genehmigten Hochhauses. Das wäre einfach fehl am Platz.

Auch im früheren Maria am Ostbahnhof wird weiter gefeiert. Der Hamburger Investor LIP hat sein Vorhaben zurückgezogen, ein Hotel, Büros und Appartements zu bauen. Unter anderem hatte die geringe öffentliche Akzeptanz solch trivialer Nutzungen am Wasser die Entscheidung begünstigt. Die Idee, die Schauspielschule „Ernst Busch“ dort anzusiedeln, wäre besser angekommen.

Im Osthafen hingegen kann sich die Branche richtig austoben, und es entsteht ein Betonklotz neben dem anderen. Sämtliche Versuche, den Bezirk zu konkreten Änderungsvorschlägen für den nur als Entwurf existierenden Bebauungsplan zu bewegen, scheiterten. Nur das geplante Hochhaus konnte verhindert werden.

Der Paradigmenwechsel der Politik steht noch aus. Er könnte aber im Zusammenhang mit der Internationalen Bauausstellung 2020 als Teilbereich Spreeraum stattfinden. So lange sollten die Ufer vor einer Nutzung als Wertanlage bewahrt werden. Auf Kreuzberger Seite sollten amtliche Vorgaben 30 Meter Abstand von Neubauten zum Ufer garantieren.

Der Bürgerentscheid „Spreeufer für alle!“ übt seit Jahren einen Einfluss auf die Entscheidungen an der Spree aus. Unterstützt wurde dies durch zahlreiche Aktionen und Demonstrationen mit vielen tausend Teilnehmern. Die Kampagne hat eine bundesweite Ausstrahlung und wird international beachtet. Auch wenn der Entscheid an einigen Stellen ignoriert wurde und aktuelle Bautätigkeiten wie etwa die Daimler-Zentrale oder Coca- Cola im Osthafen für eine tiefe Enttäuschung gesorgt haben, hat er viel bewirkt und wird es weiterhin tun. Das bürgerschaftliche Engagement hat sich gelohnt.

Der Autor ist Initiator der Aktion „Mediaspree versenken“

Carsten Joost

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