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Die Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg musste am Donnerstag abgebrochen werden.  (Archivbild)  

© Robert Klages

Update

Positives Testergebnis live in der BVV: Berliner Bezirk leitet nach Sitzungsabbruch Verfahren gegen Linken-Politiker ein

Unmittelbar vor einer BVV-Sitzung in Lichtenberg erhält ein Verordneter der Linken einen Anruf: Sein Corona-Test ist positiv. Hat er gegen Corona-Regeln verstoßen?

Bereits nach kaum 30 Minuten musste die erste Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg in diesem Jahr am Donnerstagabend abgebrochen werden.

Ein Verordneter der Linksfraktion hatte unmittelbar vor der Live-Sitzung eine Nachricht von seinem Arzt erhalten: Dieser teilte ihm mit, dass sein Covid19-Test positiv ist. Er unterrichtete seinen Fraktionsvorsitzenden, der dies an den Vorsteher weitergab. 

Die BVV fand aufgrund der Pandemie unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, auch Pressevertreter konnten nicht an der Tagung in der Aula einer Schule teilnehmen. Per Livestream wurde übertragen. Die rund 50 Verordneten trugen Masken und saßen an Einzeltischen mit Abstand zueinander, bei Redebeiträgen wird ein Plastikschutz über das Mikrofon gestülpt. 

Nachdem der Ältestenrat einberufen und die Sitzung das erste Mal unterbrochen wurde, verkündete Vorsteher Rainer Bosse (Linke): „Es ist eine außerordentliche Situation eingetreten. Ein Verordneter ist positiv auf Covid-19 getestet worden, das zwingt uns zum Abbruch der Sitzung.“ Man sieht, wie die Politikerinnen und Politiker den Saal verlassen, dann wird der Stream abgeschaltet.

SPD fordert Aufklärung und bringt Rücktritt ins Gespräch

Ein Politiker der Linken sagte dem Tagesspiegel, der positiv getestete Mann habe eigentlich zunächst einen negativen Test erhalten, daher sei man sehr überrascht gewesen. Der betroffene Politiker wollte sich auf Nachfrage nicht dazu äußern. Seine Familie erklärte, es sei Privatsache, wie es zu dem erst negativen und dann positiven Testergebnis kommen konnte. In Kreisen heißt es, die Frau des Verordneten sei an Covid-19 erkrankt.

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Die SPD-Fraktion forderte noch am Donnerstagabend eine öffentliche und nachweisbare Aufklärung des Falls, "wieso ein Mitglied der BVV trotz ausstehendem Coronatest-Ergebnis zur Sitzung erschienen ist". Erik Gührs, Vorsitzender der SPD-Fraktion: "Eine wissentliche Gefährdung der Gesundheit der Bezirksverordneten und des Bezirksamtes ist in der Position dieses öffentlichen Amtes nicht tragbar. Sollte sich dies bestätigen, muss der Verordnete zurücktreten."

Amtsarzt war zunächst nicht zu erreichen

BVV-Vorsteher Bosse hatte am Donnerstagabend zunächst vergeblich versucht, den Amtsarzt zu erreichen. Nach Angaben eines Verordneten seien alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sitzung nach Hause gegangen, auch der positiv getestete Mann.

Später, als bereits alle den Saal verlassen hatten, kam der Kontakt zum Amtsarzt dann doch noch zustande. Gesundheitsstadtrat Martin Schäfer (CDU) zufolge wollte der am Donnerstag jedoch "keine Ferndiagnose" stellen.

Verfahren gegen Linken-Politiker, keine Quarantäne für die anderen

Am Freitag dann teilte das Bezirksamt mit, dass ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den positiv getesteten Verordneten eingeleitet werde, da dieser gegen die in Lichtenberg geltende Allgemeinverfügung verstoßen habe. Zu diesem Ergebnis kam der Amtsarzt nach Auswertung der Geschehnisse. Der Verordnete hätte nach dem Test nicht das Haus verlassen und zur BVV erscheinen dürfen, hieß es. Stadtrat Schäfer erklärte dazu: "Allgemein gilt: Wer einen Test macht (PCR), muss bis zum Ergebnis zuhause sein."

Alle anwesenden Bezirksverordneten konnten am Freitagnachmittag die zunächst selbst verordnete häusliche Quarantäne wieder verlassen. Das Hygienekonzept für die Sitzung sei von allen Anwesenden eingehalten worden, teilte das Bezirksamt mit. "Dadurch sind Transmissionen bzw. Infektionen nahezu ausgeschlossen. Gemäß RKI-Definition konnten in der Beurteilung keine Kontaktpersonen festgestellt werden."

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Bereits im November 2020 musste das Bezirksamt Lichtenberg vollständig getestet werden, nachdem der Pressesprecher des Bezirksamts ein positives Ergebnis hatte. Bei Stadtrat Schäfer hatte es einen umgekehrten Fall gegeben: Sein Schnelltest war positiv, er begab sich in Quarantäne - und der zweite Test fiel negativ aus.

Forderungen nach reiner Online-Sitzung

Ob die BVV im Februar nun in einer reinen Online-Sitzung stattfinden wird, steht noch nicht fest. Vorsteher Bosse war am Freitag nicht zu erreichen, sein Büro teilte mit, dies werde immer dringender, damit derartige Vorfälle vermieden werden könnten. Es würden bereits Gespräche geführt, allerdings seien die Grundlagen für eine Online-Tagung noch nicht gegeben, Fragen des Datenschutzen seien noch nicht geklärt. 

Stadtrat Schäfer hatte sich bereits zuvor für eine reine Online-Sitzung ausgesprochen. Die Fraktionen der CDU, SPD, Linken und Grünen hatten dazu einen gemeinsamen Dringlichkeitsantrag eingebracht. Die Bezirksverordneten fordern, dass umgehend die Voraussetzungen für eine digitale Durchführung der Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlung in Lichtenberg geschaffen werden.

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