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Berlin: Potsdam befreit sich von seinem Schicksal als SchlusslichtDie Landeshauptstadt will bald schneller wachsen als der Schnitt

Potsdam (uwe). Den Auftritt hatte er schon in Berlin geübt: Als Volkswagen-Personalchef Peter Hartz in der vergangenen Woche in Potsdams Schiffbauergasse aus einem der neueren Volkwagen-Modelle stieg, hatte er zwar keine neuen Nachrichten, was die Rettung ganz Deutschlands von der Arbeitslosigkeit betraf.

Potsdam (uwe). Den Auftritt hatte er schon in Berlin geübt: Als Volkswagen-Personalchef Peter Hartz in der vergangenen Woche in Potsdams Schiffbauergasse aus einem der neueren Volkwagen-Modelle stieg, hatte er zwar keine neuen Nachrichten, was die Rettung ganz Deutschlands von der Arbeitslosigkeit betraf. Doch dass Volkswagen in diesem und im kommenden Jahr zwanzig Millionen Euro für ein neues Design-Centrum in der brandenburgischen Hauptstadt investieren will, bringt zumindest Potsdam in Sachen Arbeitsmarkt einen Schritt weiter: Dreißig bis vierzig High-Tech-Arbeitsplätze plus Assistenten und Hilfskräfte, in unmittelbarer Nachbarschaft zur geplanten Milliardeninvestition des US-Softwareunternehmens Oracle.

Zwölf Jahre nach der Einheit hat sich Potsdam von der verschlafenen, ein bisschen verstockten Verwaltungs- und vor allem preußischen Beamtenstadt in einen richtigen Standort verwandelt: Das Prognos-Forschungsinstitut sieht die Stadt mittlerweile auf Platz 48 im Deutschlandvergleich, was Technologie und Innovationsfähigkeit angeht. Das ist zwar immer noch kein Spitzenplatz. Und es ist auch noch schlechter als Berlin. Aber: Vor zwei Jahren lag die Stadt noch abgeschlagen auf Platz 86. Und: Im Gegensatz zu Berlin macht Potsdam neuerdings etwas daraus. Seine Potenziale, attestiert Prognos, nutze Potsdam nun endlich und setzt sie für die Ansiedlung neuer Arbeitsplätze um.

Die Ansiedlung der Europazentrale des Computer-Riesen Oracle, die Gründerlehrstühle und das Softwarezentrum von SAP-Gründer Hasso Plattner, Volkswagens Investitionen oder die vereinigten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von Berlin und Brandenburg, oder der Umzug der Berliner Max-Planck-Institute aus Berlin in das Dörfchen Golm, das direkt an der Stadtgrenze zur brandenburgischen Landeshauptstadt liegt: Potsdam hat in den vergangenen Jahren öfter einmal den größeren Teil des Kuchens abbekommen. Und verkauft die Mischung aus Wissenschaft und Forschung, aus Industrie und Dienstleistungen mit immer mehr Selbstbewusstsein. Hier gibt es schon ein „Cluster“, prahlen die Wirtschaftsförderer der Stadt gern. Das heißt: Wenn nur genügend Wissenschaftler, Forscher und Investitionen aus einer Branche zusammenkommen, dann gibt es eine Initialzündung. Und dann geht alles andere viel leichter, fast von selbst. Und genügend leerstehende altertümliche Kasernen für Wirtschaftsunternehmen jeder Art sind auch noch vorrätig. Das ist jedenfalls die schönere Theorie der Wirtschaftsförderung.

Brandenburg entfernt sich von Berlin

Auch wenn der Speckgürtel Berlins jetzt mit Bevölkerungsschwund zu kämpfen hat: Das verfügbare Umland für mehr Gewerbeansiedlung, die große Wette auf den Flughafen Schönefeld – oder die beeindruckende Enwicklung der Landeshauptstadt in den letzten Jahren zeigen, dass die Entwicklung der unmittelbar benachbarten Regionen von Berlin und Brandenburg asynchron verläuft: Während viele Randgebiete Berlins zu besonderen Problemregionen werden, hat Brandenburg einige Regionen die richtig vorankommen. Und in den anderen wenigstens genügend unbebaute Fläche, um Ansiedlungen aller Art aufnehmen zu können.

Für Wirtschaftsforscher, die in aller Regel einigermaßen unsentimental sind, folgt daraus: Für die Brandenburger wird eine Länderfusion mit der Zeit immer unattraktiver. Für die Berliner dagegen könnte sie in den nächsten Jahren zu einer bitteren Notwendigkeit werden, was die wirtschaftliche Basis betrifft. Die Zeit für erfolgreiche Fusionsverhandlungen jedenfalls wird knapper.

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