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Berlin: Präsidentin auf Streife

34 europäische Polizeichefs konferieren in Berlin Die einzige Frau kommt aus Stockholm

Die Schweden sind einfach lockerer. Die ranghöchste Polizistin Stockholms trägt Bluse, einen gemusterten knielangen Rock und dazu Nike-Turnschuhe. Um die Schulter hat sie sich einen Jutebeutel gehängt. So marschiert Carin Götblad, seit vier Jahren Polizeipräsidentin der Hauptstadt Schwedens, am Montag ins Hilton Hotel am Gendarmenmarkt.

Hier beginnt heute das offizielle Programm der „Konferenz der Polizeipräsidenten der europäischen Hauptstädte“. Und Carin Götblad wird auf dem Gruppenfoto die einzige Frau unter den 34 führenden Polizeiköpfen Europas in ihrer Funktion sein. Bis Freitag konferieren die Polizeichefs. Seit 1979 gibt es jährlich diese Treffen – Berlin ist zum ersten Mal Gastgeber. Auch der „interkulturelle Dialog“ steht auf der Agenda: Wie geht die Polizei um, mit den so genannten Migranten-Communities, mit Integration und den Folgeproblemen, die sich auch in der Kriminalität widerspiegeln? Ein Thema, das Carin Götblad vor allem interessiert. Als ehemalige Grundschullehrerin hat sich die 51-Jährige schon früh mit Problemen sozial benachteiligter Jugendlicher auseinandergesetzt. Auch, nachdem sie das anschließende Jurastudium beendet hatte und eine steile Karriere bei der Polizei hinlegte, habe sie diese Thematik nie losgelassen, sagt sie.

Stockholm und Berlin haben ähnliche Probleme: die stetig zunehmende Jugendkriminalität und die Tatsache, dass die Täter vor allem junge Männer mit Migrationshintergrund sind. Dabei betont Götblad, dass nicht die Ethnie entscheidend sei: „Die soziale Herkunft dieser jungen Leute ist ausschlaggebend für deren kriminelle Karrieren.“ Doch oft komme beides zusammen.

Auch hier ähnelten sich die zwei Hauptstädte: In Berlin sind es die Problemkieze mit einem hohen Anteil an Zuwandererfamilien, in denen die Jugendkriminalität besonders hoch ist. In Stockholm stamme der Großteil junger Krimineller aus Vororten, in denen sozial benachteiligte Familien – viele kommen aus Irak, Iran, der Türkei oder afrikanischen Staaten – leben.

Um die Lage in den Griff zu bekommen, hat die Polizeipräsidentin etwas in Schweden Einzigartiges ausprobiert: Vor einem Jahr machte sie in den ProblemVororten 15 kleine Polizeistationen mit je sechs Beamten auf. Vor allem Vertrauen zur Migranten-Community sollen diese Polizisten aufbauen. Und zeigen, dass sie die Migranten ohne Vorurteile betrachten und sie nicht grundlos kriminalisieren.

Doch die Probleme seien nur lösbar, wenn es ein Netzwerk gebe. „Sozialarbeiter, Jugendeinrichtungen, Schulen und die Polizei müssen zusammenarbeiten“, sagt sie. Ähnlich wie es die Berliner Polizei gemeinsam mit den Quartiersmanagern in den Problemkiezen tut. Wie in Berlin wirbt auch die Stockholmer Polizei dafür, mehr Beamte aus Einwandererfamilien in den Polizeidienst zu holen. „Vor allem Leute, die in den Vororten aufgewachsen sind.“ Die seien möglicherweise „der Schlüssel, um die Probleme dort besser zu lösen“. Schwierigkeiten, Entscheidungen in der Behörde durchzusetzen, habe sie nicht. „Ich bin hartnäckig“, erzählt sie und lacht. Nein, als Frau an der Spitze müsse sie nicht ständig ihre Macht demonstrieren. „Humor ist eine ganz gute Eigenschaft. Sie schließt Seriosität nicht aus.“ Nicht nur Götblads legere Kleidung lässt ahnen, wie unkompliziert sie ist. Auch in ihrer Arbeit. Mehrmals im Jahr zieht sich Carin Götblad eine Uniform an und geht nachts zehn Stunden auf Streife. „Um einen Einblick zu bekommen, was auf der Straße los ist, aber auch, wie intern gearbeitet wird.“

Allerdings werden diese Ausflüge an die Basis immer schwieriger: Weil Götblad so bekannt ist, wurde sie bei ihrer letzten Streifenfahrt von den Stockholmern fotografiert. Wie eine Touristenattraktion.

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