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Berlin: Preis des Streiks

Auch wenn es für die BVGer mehr Geld geben sollte, müssen die Fahrscheine nicht teurer werden

Für einige Politiker ist die Lösung ganz einfach: Wenn die BVG ihren Beschäftigten mehr Geld gibt, müssen auch die Fahrgäste mehr zahlen, um die Kosten auszugleichen. Viele denken so, auch wenn Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) am Donnerstag im Parlament versicherte, dass sich Gehaltserhöhungen „nicht beliebig auf Kosten höherer Tarife realisieren lassen“.

So einfach wären Preiserhöhungen auch nicht, denn die Tarife werden im Tarifverbund Berlin-Brandenburg (VBB) vereinbart. Für dessen Chef Hans-Werner Franz ist die „Schmerzgrenze“ bereits erreicht. Rund 55 Millionen Euro würde es die BVG nach eigenen Angaben kosten, wenn die Einkommen für alle Mitarbeiter um zwölf Prozent erhöht werden, wie es die Gewerkschaft Verdi fordert. Die BVG hat sechs Prozent mehr geboten – aber nur für die etwa 1150 Mitarbeiter, die seit dem Abschluss des Tarifvertrags 2005 neu ins Unternehmen gekommen sind. Sie bekommen erheblich weniger Geld als ihre Altkollegen, denen die BVG die Differenz zwischen dem früheren Einkommen und dem seit 2005 geltenden Tarifvertrag ausgleicht. Bei diesen rund 10 400 Beschäftigten will die BVG nur kleine finanzielle Zugeständnisse machen, was Verdi nicht ausreicht.

Für die übertarifliche Zulage, Sicherungsbetrag genannt, hat die BVG im vergangenen Jahr 117 Millionen Euro aufgebracht – erheblich mehr, als der operative Verlust beträgt, der bei 62 Millionen Euro lag. Ohne diesen Sicherungsbetrag hätte die BVG rechnerisch sogar einen Gewinn gemacht. In diesem Jahr sind für den Sicherungsbetrag erneut 104,5 Millionen Euro vorgesehen.

Eine Erhöhung der Fahrpreise hat dem Unternehmen in der Vergangenheit durchschnittlich etwa zehn Millionen Euro mehr eingebracht. Sollten Fahrgäste die höheren Einkommen der Beschäftigten finanzieren, müssten die Preise überproportional steigen.

SPD und Linke haben aber in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Fahrpreise nicht stärker steigen sollen als die Inflationsrate. Dies bekräftigte auch der VBB, nachdem er die neuen Preise beschlossen hatte, die von April an gelten werden. Sie steigen in Berlin durchschnittlich um 1,58 Prozent (Tarif AB) und bei Fahrten ins Umland um 1,96 Prozent.

Höhere Steigerungsraten seien unzumutbar, hatte bereits damals der Fahrgastverband IGEB moniert. In vielen Tarifbereichen sei Berlin schon heute Spitze. Das politische Ziel, mehr Fahrgäste für den Nahverkehr zu gewinnen, werde durch hohe Preise konterkariert, sagt der IGEB-Vorsitzende Christfried Tschepe. Besonders die Käufer von Einzelfahrscheinen springen laut VBB bei Fahrpreiserhöhungen schnell ab. Ihnen wollen die Unternehmen entgegenkommen und bieten ab April wieder eine Sammelkarte für vier Fahrten im Stadtgebiet an, die acht Euro kostet und damit fünf Prozent billiger ist als der Kauf von vier Einzelfahrscheinen.

Können die Fahrpreise nicht erhöht werden, müsste die BVG die Einkommenssteigerung ihrer Mitarbeiter durch neue Kredite finanzieren, für die am Ende die Berliner Steuerzahler geradestehen müssen.Bis 2020 werden die Schulden auch ohne die geforderte Einkommenserhöhung nach den Prognosen bei 1,3 Milliarden Euro liegen. Würden die Einkommen jetzt für alle Beschäftigten um zwölf Prozent erhöht, wäre das Unternehmen nach seinen Angaben 2020 mit 2,5 Milliarden Euro verschuldet. Am Montag finden die nächsten Verhandlungen statt. Klaus Kurpjuweit

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