zum Hauptinhalt

Berlin: Preiskampf im Telefon- und Stromnetz. Aber wann kommt die private Konkurrenz zum Überfallkommando? (Glosse)

Manch einem schwant inzwischen, dass die Sache mit der Privatisierung ein wenig aus dem Ruder läuft. Gut: Die Suche nach dem billigsten Telefon regelt der Computer, oder Onkel Otto macht es, weil er sowieso nichts Besseres zu tun hat.

Manch einem schwant inzwischen, dass die Sache mit der Privatisierung ein wenig aus dem Ruder läuft. Gut: Die Suche nach dem billigsten Telefon regelt der Computer, oder Onkel Otto macht es, weil er sowieso nichts Besseres zu tun hat. Aber schon mit dem Kampf um die Steckdosen scheinen neue Sitten einzukehren: Gelben Strom? Grünen Strom? Oder lieber den farblosen von jenem Anbieter, der uns bei Vertragsabschluss gleich eine neue Glotze schenkt?

Das sind die Vorzüge der Marktwirtschaft, sagen uns die Experten, die davon überhaupt nicht genug kriegen können. Wasser ist das nächste Thema. Privatisierung der Wasserbetriebe? Schnee von gestern. Freier Wettbewerb! Sobald die Frage der Durchleitungsrechte geklärt ist, darf der Kunde entscheiden, was zu Hause aus dem Hahn läuft: Litauisches Schmelzwasser zum Kampfpreis? Apollinaris medium im Nachttarif? Das mit dem Champagner für die Badewanne überlegen wir uns noch mal, einerseits wegen der Kinder, andererseits wegen der verschiedenen Geschmacksrichtungen; "Rotkäppchen!" sagt Tante Hilde, die es ein wenig lieblicher mag. Für die Klospülung reicht Ostseewasser nature aus Rostock.

Halt mal. Klo? Zum Wasser gehört die Entwässerung, die selbstverständlich auch privatisiert wird, denn die unsichtbare Hand des Marktes schafft den Müll allemal billiger aus dem Weg als unsere Kanalisationsoberräte mit Pensionsberechtigung. Wem wollen wir den Inhalt der Schüssel überlassen? Jenem Entsorger, der Abführmittel für die ganze Familie draufgibt? Dem, der uns Klopapier just in time rund um die Uhr liefert?

Über das nicht länger marktkonforme Gewaltmonopol der Polizei müsste auch mal geredet werden. Eines Tages wird sogar das blutende Überfallopfer in der Telefonzelle die Wahl haben: 110? 120? 130? Und erst die fünf privatisierten Feuerwehren, einfach supereffektiv. Wenn die Jungs freilich an den Rotkäppchen-Hydranten geraten - dann kann die billige neue Welt am Ende doch böse ins Geld gehen.

Zur Startseite