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Prenzlauer Berg: Brückenschlag im Mauerpark

Der Mauerpark ist nicht mehr geteilt: Über den Gleimtunnel führt jetzt ein Weg.

Semso Ehnert-Fekica steht, wo er zu Ost-Berliner Zeiten nie hätte stehen können und dürfen: Im einstigen Grenzgebiet, oberhalb der Gleimstraße, auf dem Gleimtunnel zwischen Prenzlauer Berg und Wedding. Der Tunnel ist nun auf seinem Oberdeck mit einem Weg versehen, der die beiden Teile des Mauerparks zusammenführt. Ehnert-Fekica, dem am Parkweg der Taubenschlag „Flying Tippler“ gehört, hat mit dem Verein Freunde des Mauerparks jahrelang für eine Verbindung gekämpft. Jetzt ist der Weg geebnet, ein schmaler, eingezäunter Streifen, der über die breite, von Wildwuchs überwucherte ehemalige Bahnbrücke führt.

Bisher mussten Besucher, um den Mauerpark zu durchqueren, die Gleimstraße hinab, die Fahrbahn kreuzen und dann wieder hinauf. Das sind an der Ecke Schwedter Straße immerhin 33 Stufen. Jetzt kann der komplette Mauerpark ohne Umwege genutzt werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sprach von jahrelangen Bemühungen des Bezirks Pankow, mit dem Senat und der Bahn zu einer rechtlich tragbaren Lösung zu kommen. Die Idee von Anwohnern, einen „kostenintensiven Steg“ zu bauen, sei verworfen worden. Die Tunnelüberquerung kostete rund 20 000 Euro, bezahlt von der Senatsbehörde.

Der Verein Freunde des Mauerparks hofft, dass sich ein etwa 50 000 Euro teurer Steg mit einer leichten Konstruktion aus Stahl und Holz, geplant vom Architekten Matthias Stelz, irgendwann noch bauen lässt, die „Notlösung“ ersetzt. Der Verein hätte Eigenmittel beigesteuert.

Aber Semso Ehnert-Fekica, gebürtiger Kroate, ist froh, dass es den Weg überhaupt gibt. Er wacht sozusagen über ihn, sein Taubenschlag wirkt wie ein Torhäuschen, jetzt kommen auch mehr Leute vorbei, die neugierig auf das rote Bauwerk schauen und sich erzählen lassen, was es mit dem Tauben auf sich hat. Ehnert, gelernter Koch und in der häuslichen Krankenpflege tätig, ist stolz, dass seine Tauben schon mal nonstop17 Stunden und 46 Minuten in der Luft waren. Das hat Meisterschaftsqualitäten. Ohne das Training über dem Mauerpark wären seine Vögel nie so fit geworden.

Es macht ihm Spaß, den Spaziergängern den Mauerpark zu erklären, die einstige Lage der Mauer zu zeigen. Die Grünfläche, an Wochenenden stark vermüllt, räumt er nach Kräften wieder auf. Er wohnt einen Steinwurf entfernt an der Gleimstraße West, Wedding. Früher, als die Mauer noch stand, lebte er an der Schönhauser Allee. Die Gleimstraße Ost mit dem Tunnel blieben unerreichbar.

Drei Jahre nach dem Mauerbau am 13. August 1961 wurde ein Hundert-Meter-Streifen an der Straße zum Grenzgebiet erklärt, mit 28 Häusern und 1500 Mietern. Wer hier wohnte, musste ständig mit Kontrollen von Kellern und Dachböden rechnen. Es gab Passierscheine.

Der Standardwitz der Leute am Gleimtunnel lautet: „Haben Sie ihren Passierschein?“ Die einstige Grenze bringt sich am Mauerpark in Erinnerung. Das ändert auch ein neuer Brückenschlag nicht.

Christian van Lessen

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