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Camillo

© David Heerde

Prenzlauer Berg: Ein Stadtkloster für alle

Don Camillo? Der Pfarrer aus den Filmen, der oftmals von einem Fettnäpfchen ins andere trat? Nach ihm ist das erste evangelische Kloster Berlins an der Schönhauser Allee benannt. Und seine Schweizer Bewohner laden heute Abend zu einem Fest ein.

In Prenzlauer Berg, in der lauten Schönhauser Allee 161 zieht die Stille ein. Wie alle großen Umzüge passiert das nicht von heute auf morgen. Aber die Vorboten der Ruhe sind schon da. Sie sind 1,65 bis 1,78 Meter groß, haben blonde, schwarze und graue Haare und Herzen, in denen Platz ist für Gott, Humor und Freundlichkeit.

Im Frühjahr hat die Schweizer Kommunität Don Camillo die Segenskirche in der Schönhauser Allee gekauft. Im Juli sind zwei Familien mit ihren Kindern aus dem Dorf Montmirail am Fuß des Juras hierhergezogen. Sie wollen aus der alten Segenskirche und ihrem verzweigten Gemeindehaus ein Stadtkloster machen, indem sich gehetzte Großstädter zurückziehen können, um zu meditieren, über das Leben nachzudenken oder einfach, um mit der Gemeinschaft Zeit zu verbringen und zur Ruhe zu kommen. Es ist das einzige evangelische Kloster in der Stadt.

„Man kann nicht fordern, die Kirche müsse zu den Menschen kommen“, sagt Georg Schubert, „und dann auf dem Land bleiben.“ Schubert hat Don Camillo vor 30 Jahren als eine evangelische Klostergemeinschaft mitbegründet. Aber Berlin? Die Schuberts hatten an Zürich gedacht. Doch dann stand Pfarrer Gisbert Mangliers von der Gemeinde Prenzlauer Berg Nord vor der Tür. Ein Jahr lang hatte er nach Christen gesucht, die wieder Leben in die Segenskirche bringen könnten. Die Kirche neben dem Bezirksamt und schräg gegenüber dem Jüdischen Friedhof war nach Gemeindefusionen überflüssig geworden. Geld für die Sanierung hatte keiner. Mangliers stöberte Don Camillo in der Schweiz auf und dachte sofort: „Die sind’s.“ Mangliers steht jetzt neben Georg Schubert und einigen anderen der Gemeinschaft in der Kirche. Die Glocke schlägt 12 Uhr: Zeit für das Mittagsgebet. Die Kirchentür geht zu, die Welt bleibt für zehn Minuten draußen. Drinnen ist es still, eine Frau singt, alle beten.

Bisher ist das Kloster vor allem Baustelle. Noch finden hier keine Seminare, Eheberatungen, Seelsorge statt, es wird geklopft, gehämmert, gemörtelt. Für einen Euro hat die Landeskirche das Gebäude den Schweizern überlassen, 100 000 Euro gibt der Kirchenkreis zur Renovierung dazu, 300 000 Euro vielleicht das Land Berlin. Um Wohnungen für drei Familien, 12 Gästezimmer, Seminarräume, ein Büro und ein Café einzurichten, werden aber 3,3 Millionen Euro benötigt. Förderanträge, Sponsoren, Kredite, „ein langer Prozess“, sagt Georg Schubert.

Vor zwanzig Jahren haben die Schuberts schon mal von vorne angefangen. Damals sind sie zusammen mit zehn anderen Familien von Basel nach Montmirail gezogen und haben Gutshäuser aus dem 17. Jahrhundert zu einem modernen Kloster- und Tagungshaus hergerichtet. Der Betrieb läuft gut, 10 000 Übernachtungen im Jahr, selbst Banken und große Firmen halten hier ihre Seminare ab. „Die Atmosphäre ist bei uns anders“, sagt Georg Schubert, „das zumindest sagen die Gäste“. Der 50-jährige Mann in schwarzen Jeans, Hemd und Fließpullover kann sich das nicht genau erklären, aber ein bisschen stolz darauf ist er schon. „Vielleicht merken die Gäste, dass wir das nicht machen, um den Gewinn zu maximieren und Businesspläne zu erfüllen.“ Bei Don Camillo dürfen auch Menschen arbeiten, die nicht immer ganz effizient sind. Der Gärtner etwa sei zu langsam für eine normale Gärtnerei. Aber das mache nichts.

Don Camillo, der Pfarrer aus dem Film mit dem Bürgermeister Peppone, war auch nicht immer effizient und hat Fehler gemacht. Aber er hatte ein großes Herz, einen einfachen Glauben und einen Hang zu unkonventionellen Mitteln. „Das ist ziemlich sympathisch“, sagt Schubert. So sei man auf den Namen gekommen. „Wir machen auch viele Fehler im Moment“, sagt Barbara Schubert und teilt beim Mittagessen den Salat auf die Teller aus. So viele Ämter, Bezirksverwaltungen, Senatsverwaltungen, Obere und Untere Denkmalschutzbehörden! Wie soll man da durchschauen? In Montmirail gab es den Kanton Neuchatel und eine Denkmalbehörde, Schluss. Draußen nieselt der Dezemberregen. Manchmal verlässt die Schuberts der Mut. Ein Freund habe ihnen gesagt, dass das ganz normal sei, wenn man in ein fremdes Land ziehe, ob das Afrika oder Berlin ist, ganz egal. Erst der Aufbruch, dann die Ernüchterung.

Aber dann ist er doch wieder da, der Mut. Der 18-jährige Raphael, der gerade in der Schweiz Abitur gemacht hat, klopft sich Mörtel von der Jeans. Solange er noch nicht weiß, was er studieren soll, hilft er den Eltern beim Renovieren – und zieht so oft er kann los in die Cafés und Kneipen. Und oft schauen jetzt die neuen Nachbarn in der Kirche vorbei, fragen, wie es steht, wollen wissen, wann es losgeht. Wer zu ihnen ins Kloster kommt, sagt die schlanke Frau mit den grauen Locken, der muss nicht beweisen, dass er fromm ist. Jeder ist willkommen, mit oder ohne Verbindung zu Gott, mit viel oder wenig Zeit. Das Meditieren und das Beten, das könne man trainieren, auch wenn man nicht viel Zeit hat. Man müsse nur aufmerksam sein. „Die Leute gehen ja auch joggen, wenn sie merken, dass es guttut.“

Am heutigen Donnerstag lädt das Stadtkloster ab 16.30 Uhr zum Gemeindefest, um den 99. Geburtstag der Segenskirche zu feiern. Am 9., 16., und 23. Dezember gibt es, jeweils um 17 Uhr, Adventsgeschichten in der Schönhauser Allee 161. Weitere Infos unter www.doncamillo-stadtkloster.de

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