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PRO & Contra: Soll das Humboldt-Forum eine moderne Kuppel bekommen?

Künstler wussten es schon immer: Interessant wird ein Kunstwerk erst durch Brüche. Ist etwas aus einem Guss, wirkt es schnell langweilig, das Auge gleitet darüber hinweg, bleibt an nichts hängen.

Künstler wussten es schon immer: Interessant wird ein Kunstwerk erst durch Brüche. Ist etwas aus einem Guss, wirkt es schnell langweilig, das Auge gleitet darüber hinweg, bleibt an nichts hängen. Auch in der Mode gilt das Gesetz der Kontraste. In der Architektur ist das nicht viel anders. Eine barocke Schlossfassade hat jeder schon gesehen, selbst wenn es das Berliner Stadtschloss ist. Würde die historische Fassade mit einer modernen Kuppel kontrastiert, würde das Ensemble viel mehr Aufmerksamkeit erregen. Erst Norman Fosters Kuppel machte den Reichstag zu der Attraktion, die er heute ist. Das Jüdische Museum, vorne historisch adrett, hinten und außen modern, wirkt gerade durch die Kombination von Altem und Neuem.

Außerdem: Ein historisches Puppenstuben-Ambiente würde vielleicht zur Realität in Augsburg oder Heidelberg passen, aber nicht zur Hauptstadt. Hier treffen alle Facetten des Lebens aufeinander, die schönen und die hässlichen, das Leben der Reichen und Bürgerlichen und das der Armen; Konservatives steht neben Liberalem. Das sollte auf den ersten Blick am Stadtschloss zu erkennen sein, das dann die alte, neue Mitte Berlins charakterisieren wird. Eine pompöse barocke Fassade wäre nicht nur langweilig, sondern auch zu eindimensional für eine Metropole wie Berlin. Claudia Keller

Moderne Architektur gibt es im Überfluss: Viele Discountläden schauen ohnehin schon aus wie Replikate von Mies van der Rohe. Doch kommt es in einer gelungenen Formensprache nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Hülle an. Für den Bau einer Kuppel nach historischem Vorbild spricht der architektonisch sinnvolle Anspruch, ein größtmögliches Maß an Authentizität umzusetzen. Und es ist gerade die Kuppel, die ein Gebäude, das wie das Stadtschloss nach historischem Vorbild wieder aufgebaut werden soll, dominiert. Die Planungen sehen die Rekonstruktion der barocken Fassaden im Süden, Westen, Norden und der drei Barockfassaden des Schlüterhofes vor. Für moderne Gestaltung gibt es an der Ostfassade und im Innenbereich des Humboldt-Forums genug Platz. Sehr schmerzhaft für das Auge des Betrachters dagegen wäre eine moderne Kuppel, die als Zylinderhut, Pagodendach oder Flachdach auf dem Schloss thronen würde. Das würde erstens das Gesamtbild völlig zunichtemachen. Zweitens könnte ein Architekturmix im Außenbereich die wichtige Bedeutung des Baus in der Mitte Berlins nicht adäquat transportieren. Drittens: Die Wiedergeburt historischer Kulissen muss nicht gleich mit Kitsch gleichzusetzen sein. Am Schlossplatz werden schließlich keine Putten in Beton nachgegossen. Sabine Beikler

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