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Am 18 September soll in Berlin gewählt werden. Ob das klappt?

© dpa

Probleme durch Meldestau und Wahlsoftware in Berlin: Zweifel an ordnungsgemäßer Stimmabgabe

Rund 100 Tage noch, dann wird in Berlin gewählt. Doch der Meldestau auf den Bürgerämtern und eine neue Wahlsoftware könnten zu ernsthaften Schwierigkeiten bei der Stimmabgabe führen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Wahl in Berlin am 18. September ist nicht gefährdet – mit dieser Beschwörungsformel beruhigt sich der Senat seit Wochen selbst. Es gibt aber ernsthafte Probleme, die 107 Tage vor der Wahl noch ungelöst sind. Das gilt für die neue Software VOIS, aber auch für den Stau bei der An- und Ummeldung des Wohnsitzes in Berlin. Wenn sich daran nicht bald etwas ändert, droht im besten Fall eine verspätete Zusendung der Briefwahlunterlagen und im schlimmsten Fall die Anfechtung von Wahlergebnissen vor dem Landesverfassungsgericht.

Denn der große Meldestau ist trotz des Telefonservice (030-9024990), der Anfang März eingerichtet wurde, und sogenannten Expressschaltern in den Bürgerämtern nicht beseitigt. „Daran wird gearbeitet“, gibt der Geschäftsleiter der Landeswahlleiterin, Geert Baasen, knapp zu Protokoll. Doch die Zeit drängt. Wer am 18. September wählen will, muss mindestens drei Monate vorher mit Hauptwohnsitz in Berlin angemeldet sein. Und wer im Wahlkreis, in dem er wohnt, seine Stimme für den Direktkandidaten abgeben will, muss sich bei einem Umzug innerhalb der Stadt rechtzeitig ummelden.

Der Meldestau macht Probleme

Wegen der schleppenden Terminvergabe ist das für viele Bürger ein Problem, das inzwischen auch der zuständige Innensenator Frank Henkel (CDU) erkannt hat. Seit einem Vierteljahr haben Meldeangelegenheiten bei den Bürgerämtern Priorität, der Meldestau ist auch etwas geschrumpft, aber längst nicht beseitigt. Deshalb will Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach die wahlwilligen Bürger in den nächsten Tagen offiziell auf die Möglichkeit aufmerksam machen, dass sie sich nicht nur bis zum 18. Juni, sondern rückwirkend bis zum 6. August in Berlin an- oder ummelden können. Bedingung ist, dass sie nachweisen können, spätestens drei Monate vor dem Wahltermin zu- oder umgezogen zu sein.

Danach ist Schluss, denn am 7. August werden die Wählerverzeichnisse gedruckt und einen Tag später beginnt die Versendung der Wahlbenachrichtigungen und der Briefwahlunterlagen. Dann bleibt Berlinern, die nicht oder falsch im Wählerverzeichnis stehen, nur noch die Möglichkeit, im örtlich zuständigen Wahlamt individuell Einspruch zu erheben. Sollte das in Berlin tausendfach passieren, könnte das die Behörden vor organisatorische Probleme stellen. Noch schlimmer wäre es, wenn Wähler oder Kandidaten nach dem 18. September das Wahlergebnis in einzelnen Wahlkreisen anfechten, in denen das Ergebnis sehr knapp ausfällt.

In solchen Fällen müsste das Landesverfassungsgericht prüfen, ob der Einspruch begründet ist. Sollte sich herausstellen, dass eine größere Zahl von Bürgern durch amtliches Verschulden nicht – oder nur in einem Wahlkreis außerhalb ihres Wohnsitzes – wählen konnten, droht ein Wahlprüfungsverfahren. Das Gericht müsste dann entscheiden, ob die Wahl ganz oder regional begrenzt wiederholt werden muss. Es wäre ein bundesweit beispielloser Vorgang, wenn wegen des Versagens des amtlichen Meldewesens eine Wahl erfolgreich angefochten würde. Der Wahl-Geschäftsleiter Baasen will dazu gar nichts sagen.

Die Software funktioniert nicht so wie angepriesen

Das zweite Problem, das nicht behoben ist, heißt VOIS. Ende Januar wurde die Software, vom Hersteller HSH als neues „webbasiertes Baukastensystem zur Integration kommunaler Fachverfahren“ angepriesen, auf die Rechner der Berliner Bürgerämter und Wahlbehörden geladen. Der Programmteil „Wahlmanagement“ funktioniert auch nach dem zweiten Test im Mai nicht so, wie es sein muss, um eine Wahl reibungslos zu organisieren. Gegenüber dem Piraten Fabio Reinhardt gab die Wahlleiterin jetzt zu, dass „mir einige Bezirke schwerwiegende Fehler gemeldet haben“. Der IT-Ausschuss des Abgeordnetenhauses wird sich damit am Montag befassen.

So dauerte der Ausdruck eines Wahlscheins unakzeptable zwei Minuten und wichtige Dokumente für die Wähler wurden falsch dargestellt. „Die Firma ist optimistisch, die Probleme in den Griff zu bekommen“, sagt Baasen. „Wir hoffen, dass sie es hinkriegt.“ Das Unternehmen wiederum beklagt die „sehr heterogene IT-Infrastruktur“ in den Bezirken, die den Einsatz von VOIS erschwere. Ein Programm, das in der Nachfolge der bewährten, aber in die Jahre gekommenen Software MESO Mitte 2015 in hessischen Kommunen „modellhaft eingeführt“ wurde, wie HSH mitteilt. Der bundesweite Einsatz habe Anfang 2016 in der Hauptstadt Berlin begonnen. Ein ideales Testfeld für die digitale Verwaltung, wie man weiß.

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