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Neukölln

© Caro

Problemkieze: Rot-rot will keine Zuzugssperre

Was tun gegen Problemkieze? Rotterdam macht vor, was alles geht: Razzien ohne richterlichen Beschluss etwa. Oder Zuzugssperren für bestimmte Viertel, um eine soziale Mischung zu erhalten. Und was sagt die Berliner Politik zu diesen Methoden?

Vergangene Woche hat eine Delegation aus Neukölln Rotterdam besucht, um zu schauen, wie die Niederländer mit Verwahrlosung, Jugendkriminalität und gesellschaftlichen Parallelwelten umgehen. Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), Jugendrichterin Kirsten Heisig, Neuköllns Jugendstadträtin Gabriele Vonnekold (Grüne) und der Neuköllner Migrationsbeauftragte Arnold Mengelkoch haben erfahren, dass man Stadtteile mit hohem Migrantenanteil, die sozial bereits gekippt waren, sehr wohl wieder umdrehen kann – indem man drastische Strafen und Kontrollen anwendet, ungewöhnliche Ideen ausprobiert und darauf achtet, dass alle Behörden an einem Strang ziehen. Wir haben bei den Parteien nachgefragt, was sie von den Rotterdamer Methoden halten.

In Rotterdam kann eine polizeiliche Eingreitruppe ohne richterlichen Beschluss Häuser und Wohnungen durchsuchen. Sollten auch Berliner Behörden solche Kompetenzen bekommen?

Der SPD-Innenpolitiker Thomas Kleineidam lehnt repressive Maßnahmen ab, er will stattdessen mehr Präventionsangebote. Der stellvertretender Fraktionschef Fritz Felgentreu ist für konsequenteres Durchgreifen. Berlin habe ein „großes Vollzugsproblem“. Wohnungen ohne richterlichen Beschluss zu durchsuchen und ohne, dass eine direkte Straftat verfolgt wird, lehnen beide mit Verweis auf grundgesetzlich geschützte Unverletzlichkeit der Wohnung ab. So sieht es auch Udo Wolf, der bei der Linksfraktion für die Integrationspolitik zuständig ist. Björn Jotzo von der FDP sagt, man brauche keine Eingreiftruppe, sondern eine besser ausgestattete Polizei. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann hält nichts von präventiven Durchsuchungsaktionen, stellt aber fest, in Berlin fehle die „Einheitlichkeit des Vorgehens“. Verordnungen müssten konsequenter durchgesetzt werden, die Polizei auf den Straßen präsenter. Frank Henkel, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion, hält grundsätzlich einiges von der schnellen Eingreiftruppe in Rotterdam, sieht aber rechtliche Hemmnisse.

Sollten sich Schulen, Jugendamt und Polizei etwa bei der Verfolgung von Jugendkriminalität direkt austauschen können?

Sie sollten jedenfalls enger zusammenarbeiten, fordert Felgentreu. Dass das zu wenig passiere, liege nicht am Datenschutzgesetz, sondern an der „geistigen Bequemlichkeit“ der Behördenmitarbeiter. Das Datenschutzgesetz sei an den „Grundsatz der Erforderlichkeit“ gebunden und könne verändert werden. Udo Wolf von der Linkspartei sagt, die bestehenden Möglichkeiten würden „unzureichend genutzt“ – Gesetzesänderungen seien nicht nötig. Der FDP-Abgeordnete Jotzo will Schulen, Jugendämtern und Polizei einen Datenpool mit Namen und Erkenntnissen über Problem-Jugendliche und deren Eltern zu Verfügung stellen, eine so genannte Indexdatei. Doch sollten die Behörden einen abgestuften, besonderen Zugang zu den Daten haben. Das müsste rechtlich neu geregelt werden.

Grünen-Fraktionschef Ratzmann sagt, die Behörden müssten unbedingt enger zusammenarbeiten, um falsche Entwicklungen aufzuhalten. Dazu müsse man das Datenschutzgesetz „nochmal konkret anschauen“ und gegebenenfalls verändern. Der CDU-Politiker Henkel sagt, in Berlin fehle es inzwischen an Polizisten, Sozialarbeitern und Schulpsychologen.

Sollte der Zuzug in bestimmte Viertel staatlich gesteuert werden, um eine soziale Mischung zu gewährleisten?

„Um Himmels willen“, sagt der Linkspartei-Abgeordnete Udo Wolf. Man könne den Vorgängern seiner Partei vieles vorwerfen – die Linkspartei schätze die Freizügigkeit über alles. Nein, sagt der SPD-Mann Kleineidam. Die Zuzugssperre verstößt gegen Grundsatz der freien Wohnungswahl. „Außerdem lebten in Frohnau schon immer andere Leute als in Kreuzberg.“ Rechtlich möglich sei eine Zuzugssperre schon, sagt hingegen der SPD-Abgeordnete Felgentreu, aber sie sei schwer zu kontrollieren. Der Liberale Jotzo beschwört die Freiheit der Wohnortwahl. Ratzmann ist gegen eine staatlich gelenkte Mischungspolitik und regt an, dass sich Schulen quartiersweise zusammenschließen. Henkel hält eine Zuzugssperre für rechtlich problematisch. Dass ein Bezirk auf Wohnberechtigungsscheine verzichten kann, findet Henkel gut. Der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky hatte dies vorgeschlagen, damit wohlhabende Mieter in preiswerte Wohnungen ziehen und den Kiezen sozial etwas bringen. Doch hatte er die Regelung nicht durchsetzen können.

Sollte die Schulpflicht durch hohe Bußgelder für Schulschwänzer und deren Eltern konsequenter durchgesetzt werden? Sollen Schulen die Zeugnisse nur noch den Eltern problematischer Schüler aushändigen, um sie zum Gespräch zu zwingen?

SPD-Mann Felgentreu findet, die Polizei solle Schulschwänzer zuhause abholen und es nicht bei der Verhängung von Bußgeldern belassen. Die Idee, Zeugnisse in Problemkiezen den Eltern auszuhändigen, hält er für gut. So sieht es auch Ratzmann von den Grünen. Der Linkspartei-Abgeordnete Wolf lehnt den Vorschlag ab. Henkel hingegen findet die Idee gut und schlägt vor, gemeinnützige Arbeit als Ersatz für Geldstrafe anzubieten. Doch für solche Reformen fehle der rot-roten Koalition der politische Wille.

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