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Promi-Tipps: Mehr Mut! Mehr Sport! Mehr Politik!

Sechs Prominente aus Berlin und Brandenburg verraten, wie ihr ideales Drittes Programm aussieht.

Frech kommt weiter: „Die Reform muss über Facelifting hinausgehen. Sonst droht das gleiche Debakel wie bei Arte.“

Volker Schlöndorff, Regisseur

Ich bin bereits vor 20 Jahren in die Region zugewandert, aber das Dritte Programm schaue ich mir nur selten an. Vieles erscheint mir doch sehr rückwärtsgewandt. Insgesamt betulich, provinziell und keineswegs hauptstädtisch wie überall sonst, nicht nur in London und Paris, auch in Rom und Madrid.

Bis sich beim RBB das Programm zwischen Ost und West eingependelt hat, hat es einige Zeit gedauert. Dabei ist dieser Spagat durchaus spannend. Der Sender lebt geradezu von dieser Spannung. Er sollte darum ruhig weiter Beiträge mal in der einen und mal in der anderen Richtung machen. Das Janusköpfige sollte beibehalten werden. Überhaupt genießen gerade die Dritten Programme das Privileg, nicht jedem gefallen zu müssen. Gerade sie können ausgewählte Sparten oder Gruppen bedienen. Eine Art Grassroots-Fernsehen, das nachbarschaftlich kommuniziert.

Wenn der RBB sein Programm reformieren will, dann muss das über ein reines Facelifting hinausgehen. Sonst droht das gleiche Debakel wie bei der Arte-Programmreform vom letzten Herbst. Neue Zuschauer wurden nicht gewonnen, aber das Programm ist deutlich schlechter geworden. Die größte Gefahr besteht indes in dem Versuch, die privaten Sender zu schlagen. Das führt nur zu einem Wettlauf nach unten. Dabei hatte es im RBB durchaus interessante Ansätze gegeben, mit frechen Magazinsendungen wie „Polylux“ mit Tita von Hardenberg. Es hätte sich gelohnt, solche Formate weiterzuentwickeln. Oder wahre Dokus statt Tiersendungen. Im Radio beeindruckt mich das vom WDR stammende „Funkhaus Europa“, das auch in Berlin zu hören ist. Multikulti ist hier mehr als bunte Buden auf einem Straßenfest, vielmehr wird eine weltoffene Sichtweise und Internationalität gelebt. Von einer solchen Sendung könnte auch das RBB-Fernsehen jenseits von Nabelschau und Berlin-Hype profitieren.

Mehr Regionales: „Kommerzsender können sich einen schlanken Fuß machen. Der RBB muss alles können.“

Friedrich Küppersbusch, Produzent

Der RBB ist der Versuch der Politik, die vergeigte Länderfusion von einer Rundfunkanstalt künstlich herstellen zu lassen. Für eine vergleichbare Aufgabe brauchte der WDR locker 50 Jahre im Bindestrich-Land Nordrhein-Westfalen. Dass der RBB die rote Laterne der ARD-Quotencharts mit dem SWR abwechselnd trägt, deutet auch auf die Schwierigkeiten, Sendegebiete von oben zu erfinden, wo die BürgerInnen sich in sehr disparaten Bundesländern und Regionen erleben. Dass Berlin und Brandenburg deutlich kleiner sind, also vergleichsweise wenig Rundfunkgebühren aufbringen, macht die Zersplitterung der Publika nicht harmloser. Da gibt es altes West-

Berlin (good old „Abendschau“-Groove), dann „Berlin, Hauptstadt der DDR“ (da wären viele lieber mit einem fortgeschriebenen „Kessel Buntes“ bedient, MDR West sozusagen), „Speckgürtel“ und „Brandenburg-Fläche“. Und inzwischen Mischzielgruppen und sicher auch gemeinsame Nenner zwischen einzelnen. Kommerzsender können sich da einen schlanken Fuß machen und die Werberelevanten einsammeln, die schlechten kommen ins RBB-Kröpfchen. Der muss alles können.

Schließlich: Die geborenen Aufgaben eines Hauptstadtsenders darf der RBB entlang der Verfasstheit der ARD nicht wahrnehmen. Der WDR hätte der ARD was gehustet, wenn etwa der RBB das Hauptstadtstudio Bonn dominiert hätte. Ich schlage drei Programmschienen vor: 1. Konsequent regional. Täglich mehrfach, über wenige On-air-Gesichter definiert, je ein Berlin- und ein Brandenburg-Programm. Wenn selbst Arte sich über weite Strecken in zwei Programme zerlegt, ist das kein Sakrileg mehr. 2. Gebührend empfangen. Verbraucherthemen, Service, Familie, Nährwert-Unterhaltung. RTL für schamhafte Menschen. 3. Radioeins-TV. Wenige, höchstwertige Angebote ohne Rücksicht auf Quotenverluste mit hohem und wahrnehmbarem Imagewert. Klarere Positionierung als der Sender der Stadt in Deutschland.

Mut zum Sport: „Was machen wir mit dem Sport unterhalb der Bundesligen? Wie haben wir mehr davon?“

Bernd Schiphorst, media.net berlinbrandenburg

Gut, dass es den RBB gibt! Das muss mal gesagt werden, zumal von jemandem, der nicht ganz unschuldig war an der Fusion von SFB und ORB. Die Bilanz ist positiv, die Kasse leer. Aber wo das Geld fehlt, hilft vielleicht Mut.

Mut zur Landlust! Der NDR im Norden bedient gleich drei große Flächenstaaten, aber auch zwei Metropolen. Mit Hingabe berichtet der Sender von heimatlichen Bräuchen und idyllischen Dörfern. Unspektakulär, aber, wie ich

höre, quotenträchtig. Gleichzeitig knackt die Zeitschrift „Landlust“ die Millionen-Auflagengrenze.

Mut zum Sport! Ich will mich nicht beklagen. Der RBB berichtet viel und überwiegend fair vom heimischen Sport. Was auch nicht schwer fällt angesichts dreier Fußball-Bundesligisten und nationaler Spitzenklasse im Basketball, Eishockey, Handball oder Volleyball. Aber wenn ich schon gefragt werde: Was machen wir mit dem Sport unterhalb der Bundesligen? Wie kriegen wir mehr davon auf den Sender?

Mut zu Experimenten! Das kreative Potential der Hauptstadtregion wird weltweit gerühmt. Von Internet-Buden über eine breite Film- und Fernsehproduzenten-Szene bis zu digitalen Studios ist alles vor Ort. Mir fehlt der Link. Wo sind die Spielflächen für die neue Kreativität?

Geduldiges Feintuning: „Die Aktualität in der Region geht weit über Kriminalberichte oder die S-Bahn-Misere hinaus.“

Horst Schättle, ehemaliger Intendant des SFB

Die Fragmentierung der Fernsehangebote mit einer Vielzahl neuer Programme, einer Inflation von digitalen Spartensendern, sind beim RBB wohl die Hauptgründe für Akzeptanzschwäche im Dritten Programm. Das RBB-Fernsehen ist dort gut eingeschaltet, wo es regionale Eigenprogramme anbietet. Es gibt glänzend eingeschaltete Sendestrecken am Vorabend mit der „Abendschau“, auch „Brandenburg Aktuell“, es gibt ordentliche regionale

Magazine und gut gemachte regionale Dokumentationen. Meist auf jenen Sendestrecken, wo durch Übernahmen und Wiederholungen recycelt werden muss, gibt es Probleme.

Also: Erhöhung der eigen produzierten regionalen Sendungen? Dem stehen die begrenzten Finanzen des immer noch zu kleinen RBB entgegen. Bleibt nur eine geduldige Feinsteuerung in der bestehenden Struktur: Finger weg von den „Erfolgsrezepten“ Infotainment und Trallala, das führt in die Beliebigkeit ohne öffentlich-rechtliches Profil. Qualität, Kompetenz und Mut zu Experimenten, damit kann sich ein informationsorientiertes Regionalprogramm stabilisieren. Das gilt auch für den Präsentatorennachwuchs, der beim RBB weniger durch glatte Verbindlichkeit als durch Profil auffällt. Bei den ungelösten Problemen in der Region muss ein modernes Drittes ein Forum für die rasanten Veränderungen in der Gesellschaft sein. Wo kann man diese Veränderungen besser erfassen als in einer Metropolenregion mit einer fulminanten kulturellen und ethnischen Vielfalt im Zentrum und einem gefährlichen Niedergang an den Rändern der Region, mit komplexen finanziellen und regionalplanerischen Zusammenhängen, die es kompetent und hintergründig darzustellen gilt. Die Aktualität in der Region geht weit über die Kriminalberichterstattung oder die S-Bahn-Misere hinaus. Ich bin sicher, dass die Programmleute beim RBB auch in diesem Sinne ihre Programmperspektiven diskutieren.

Wilde Hauptstadt-Show: „Ich würde gerne die Bezirke vorstellen, heute Köpenick, morgen Britz und Lübars.“

Désirée Nick, Entertainerin

Der WDR beispielsweise produziert anspruchsvolle und mutige Formate und verkauft seine Zuschauer nicht für dumm. Die Städtereisen, die Lichter-Kochshow gehören zu meinen Lieblingssendungen. Immer wieder bietet der Sender Raum für regionale Künstler und Protagonisten, mit denen Formate entwickelt und etabliert werden, die avantgardistisch neue Felder auftun. Ich erinnere an den „Hausbesuch“, ein Übernachtungsprogramm. Oftmals

kennt man die Moderatoren gar nicht und erlebt sie anders, als die Einheitsformate des Öffentlich-Rechtlichen es vorgeben.

Der WDR promotet immer nur regionale Künstler, auch die tolle Show mit dem Stratmann aus dessen Kneipe. Das ist dem RBB nur mit Kurt Krömer gelungen, davon müsste es viel mehr geben. Der RBB müsste als Hauptstadtsender sogar noch viel wagemutiger sein als der WDR, er spiegelt die Kapazitäten, die er als regionaler Metropolensender hat, nicht wider. Was mein RBB-Wunschprogramm wäre? Eine wilde Hauptstadtshow, die in Form des Talk all die genialen Künstler, Avantgardisten und Menschen, die unserer einzigartigen deutschen Metropole erst ihre Brillanz verleihen, vorstellt. Die besten Künstler dieser Welt schlagen hier auf, wir sitzen am Nabel der Politik, wir sollten stolz sein, mit dem Havelland, Brandenburg und der Seenplatte von unentdeckter Idylle umgeben zu sein.

Ich würde gerne die Bezirke vorstellen, heute in Karlshorst und Köpenick, morgen in Britz und Lübars unterwegs. Das sind Dörfer in Berlin! Ich weiß das, weil ich meine Heimatstadt kenne. Die zugereisten Promis, die glauben, Prenzl’berg und Mitte seien Berlin, sind hier nicht angekommen, Eine Urberlinerin muss so was machen – mit einem VW-Bus mit Klappdach aus den 60ern oder 70ern in den Bezirken mein Lager aufschlagen. „Desi, die Camping-Mutti“ – das ist das Hauptstadt-Format, das dem RBB fehlt.

Politik als Programm: „Der RBB soll seiner Aufgabe der Politikberichterstattung nachkommen.“

Raed Saleh, SPD-Fraktionschef in Berlin

Ein Drittes Programm ist ein Programm für alle. Ich erwarte vom RBB, dass er sich um alle Berlinerinnen und Berliner, um alle Bevölkerungs- und Altersgruppen kümmert. Im Vordergrund eines Dritten Programms steht die Berichterstattung über die Region. Der Mix aus aktuellen Informationen, Vermittlung von Wissen und Unterhaltung macht für mich ein gutes Drittes Programm aus.

Kritisch anzumerken ist, dass über die Plenarsitzungen des Abgeordnetenhauses im Programm nur noch sehr knapp berichtet wird. Auch die geplante Absetzung der Sendung „Klipp & Klar“ ist für mich unverständlich. In den dortigen Diskussionsrunden können die Zuschauerinnen und Zuschauer live erleben, wie Landespolitikerinnen und Landespolitiker Stellung zu Themen beziehen, die die Bürgerinnen und Bürger direkt betreffen und im Alltag beschäftigen. Als Mitglied des Rundfunkrates fordere ich ein, dass der RBB seiner Aufgabe der Politikberichterstattung für Berlin nach wie vor nachkommt.

Die SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin setzt sich zudem dafür ein, dass Menschen mit Behinderung und Seniorinnen und Senioren künftig direkt im RBB-Rundfunkrat vertreten sind. Im Programm wären mehr Untertitel und der stärkere Einsatz von Gebärdendolmetschern sinnvoll.

Außerdem wünsche ich mir, dass der RBB noch öfter die Dynamik und Vielfalt einer Weltstadt wie Berlin abbildet.

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