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Mit Fingerspitzengefühl. Linda Jakobsen formt aus Knete Berliner Persönlichkeiten im Mini-Format und fotografiert diese in einer für sie typischen Umgebung.

© Davids/Sven Darmer

Promis aus Berlin als Knetfiguren: Wenn der Berghain-Türsteher weich wird

Von Marlene Dietrich bis Jérôme Boateng: Linda Jakobsen alias Karlotta Knetkowski formt handliche Versionen Berliner Prominenter - und fertigt Schwarzweiß-Porträts von ihnen an.

Da steht er nun, Grimm und Stolz im Blick, auf Fräulein Knetkowskis Küchentisch: Sven Marquardt. Der Blick des Berghain-Türstehers sagt: „Wollen wir doch mal sehen, ob du an mir vorbei kommst.“ Manch einer würde sich wünschen, an der Clubtür nur auf diese Marquardt-Version zu treffen. Sie ist so groß wie eine Hand – und aus Knete.

Als Karlotta Knetkowski formt die Berlinerin Linda Jakobsen Mini-Versionen bekannter Persönlichkeiten. Auf den Schwarzweiß-Fotos, die sie davon macht, wachsen sie wiederum zu voller Größe. Kunstvoll schwingt sich das Tattoo über die linke Gesichtshälfte ihres Sven Marquardt, zwei Ringe zieren die Unterlippe. Auch in der Knetversion kann man sich der Aura des Türstehers kaum entziehen.

Die 29-jährige Künstlerin hat jetzt ihre „Berlin Knetografie“ veröffentlicht, einen Bildband mit 30 Berliner Berühmtheiten aus Knete, von Marlene Dietrich bis Hans-Christian Ströbele. Nachdem Jakobsen jahrelang im Online-Versand gearbeitet hat, konzentrierte sie sich ganz auf die Arbeit für den Bildband. Ihre Figuren formt sie aus Kinderknete und steckt sie dann in selbstgenähte Kleidung: Sven Marquardt in eine schwarze Lederkutte, Bertolt Brecht in braunem Cord. David Bowie hat sie einen lila Anzug verpasst. Wie der echte Bowie hat er zwei verschiedene Augenfarben. Wenn Knetkowski ihre Figuren formt, recherchiert sie vorher gründlich Biografie, Filmaufnahmen und Interviews.

Bowie ziert das Cover zum Buch, zusammen mit Albert Einstein in der U-Bahnlinie U3. Sie wirken wie alte Freunde. Ansonsten fotografiert Knetkowski ihre Knet-Personen mit Bezug zur Biografie. Sven Marquardt hat sie, wo sonst, vor dem Berghain in Szene gesetzt. Eine Omi lief vorüber und rief: „Ist der aber süß!“ Jérôme Boateng steht auf dem Bolzplatz an der Panke, Rio Reiser am Mariannenplatz.

"Kann ick mal fragen, wat dit hier werden soll?"

Harald Juhnke wollte sie in einer Kneipe fotografieren, fand aber keines seiner Stammlokale. Also suchte sie eine Weddinger Eckkneipe heraus und begann davor mit der Fotosession. Es dauerte nicht lange, bis die Wirtin herauskam: „Kann ick mal fragen, wat dit hier werden soll?“ Knetkowski erklärte es. „Da hat sie gesagt: Fahr doch drei Busstationen weiter zum Präpel-Eck. Da saß der Juhnke immer.“

Für Knetkowski ist ihr Buch eine Hommage an Berlin. „Die Stadt hat mir so viel gegeben. Jetzt kann ich ihr etwas zurückgeben.“ Als Teenager war sie zum ersten Mal in Berlin – und landete direkt auf der Loveparade. Nach ihrem Schulabschluss packte sie die Sachen und zog nach Prenzlauer Berg.

Ein Plattencover gestalten, das wär's

Neulich lief sie am frühen Morgen für ein Fotoshooting die Straße des 17. Juni entlang. Im Gepäck: Loveparade-Gründer Dr. Motte. Die einstige Techno-Meile sei menschenleer gewesen, sagt Knetkowski. Da habe sie schon ein bisschen Gänsehaut bekommen. „Ich fühle mich frei in der Stadt. Das Gefühl hat mich schon auf der Loveparade gepackt.“

In ihrer Altbauwohnung tummelt sich die erste Generation ihrer Knetfiguren auf einem Regalbrett im Flur. Aus einer Laune heraus kaufte Knetkowski vor sieben Jahren das erste Päckchen Kinderknete. Sie knetete ihren eigenen Kopf und den einer Freundin – und stellte fest, dass sie ein Händchen für die Ähnlichkeiten hatte.

Vor drei Jahren hatte Knetkowski ihre erste Foto-Ausstellung in der Kreuzberger Kneipe Ankerklause. Danach kam die Anfrage des Verlags. Beim ersten Treffen schlug ihr Verleger vor, „etwas über Berlin“ zu machen. Knetkowski sagt: „Als das Wort Berlin fiel, war für mich klar, dass ich das machen will.“

Ein Jahr lang knetete sie dafür. Ihre Kunst nennt sie „meine heile Knet-Fantasiewelt“. In ein Hamsterrad wolle sie aber nicht geraten, sagt sie. Das entspricht nicht ihrer Idee von Freiheit, die sie hier doch gesucht und gefunden hat. Deshalb hat sie bislang auch keine Auftragsarbeiten angenommen, etwa: „Kannst du meine Oma zum Geburtstag kneten?“ Doch langsam spürt sie wieder die Knetlust aufflammen. Und Ziele gibt es auch nach dem ersten eigenen Buch noch. Ein Plattencover gestalten, das wär’s. Die Kinderknete, da ist sie sicher, wird auch noch eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen, „wenn ich alt und runzlig bin“.

Karlotta Knetkowski: Berlin Knetografie. Mitteldeutscher Verlag, Berlin. 80 Seiten, 16,95 Euro; An diesem Freitag, 8. Mai, sind die Figuren am 19 Uhr in der Bar „Posh Teckel“, Pflügerstraße 4 in Neukölln, zu sehen (www.knetkowski.com).

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