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Betrug mit Scheinehen aufgedeckt - Vorwürfe gegen Berliner Ausländerbehörde.

© Kay Nietfeld/dpa

Prozess in Berlin: Ausländerbehörde soll Warnungen vor Scheinehen ignoriert haben

Nigerianer sollen sich mithilfe von fingierten Ehen den Aufenthalt in Deutschland gesichert haben. Nun stehen sie vor Gericht. Auch die Behörde steht im Fokus.

Wenige Minuten vor dem Termin sahen sich der Mann aus Nigeria und die Frau aus Portugal erstmals in ihrem Leben. Das war zwar knapp, aber immerhin, sie wussten, wie der jeweils andere aussah. Schließlich mussten sie Momente später in der Berliner Ausländerbehörde bestätigen, was in ihren mitgebrachten Dokumenten stand: Sie waren verheiratet.

Deshalb beantragte die Portugiesin für ihren Ehemann „eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Bürger der EU“. Der Gatte darf mit dieser Karte erst mal fünf Jahre in Deutschland bleiben. Kleiner Schönheitsfehler: Die Heiratsurkunde war gefälscht, die Ehe fingiert.

So jedenfalls sieht es die Staatsanwaltschaft. Seit Ende vergangener Woche sitzen ein Mann und vier Frauen auf der Anklagebank im Landgericht, Hauptbeschuldigter ist ein 50-jähriger Portugiese, der auch einen nigerianischen Pass besitzt. Der Vorwurf: Einschleusung von Ausländern. 70 mutmaßliche Betrugsfälle hat die Bundespolizei ermittelt, sie spricht von einer „international tätigen Bande“.

Vorwürfe, allerdings nicht vor Gericht, gibt es aber auch gegen leitende Mitarbeiter der Ausländerbehörde. Der RBB berichtet, dass mehrmals Mitarbeiter ihre Vorgesetzten darüber informiert hätten, dass ihnen Unstimmigkeiten bei den Anträgen von nigerianischen Männern aufgefallen seien. Ihre Mahnungen seien aber, laut RBB, ohne Folgen geblieben.

Die Masche war immer die gleiche

Die Bundespolizei ermittelte von November 2016 an gegen die mutmaßlichen Betrüger. Am 12. September 2017 verhaftete sie den 50-Jährigen sowie die vier Frauen im Alter von 46 und 64 Jahren. Zwei von ihnen sind Deutsche, zwei aus Nigeria. Zudem wurden in Berlin 41 Objekte durchsucht.

Die Masche der Bande, so die Anklage, sei immer gleich gewesen. Ein Mann aus Nigeria habe in Berlin Kontakt mit der mutmaßlichen Schleusergruppe aufgenommen. Ziel: die Aufenthaltskarte. Die Bandenmitglieder hätten daraufhin in Portugal eine Frau angeworben, die gegen Geld bereit gewesen sei, den Nigerianer zu heiraten. Ihre Personaldokumente wurden nach Nigeria geschickt, wo auf einer echten Heiratsurkunde die fingierte Ehe beglaubigt wurde.

Die Papiere wurden nach Berlin geschickt, auch die Portugiesin wurde eingeflogen. Dann beantragte das vermeintliche Ehepaar beim Ausländeramt die begehrte Karte, in Begleitung einer Rechtsanwältin, die Portugiesisch sprach und als Dolmetscherin fungierte. Die Portugiesin legte auch noch gefälschte Arbeits- und Mietverträge vor. So sei das in allen Fällen gelaufen, lautet der Vorwurf der Anklage. 13.000 Euro soll die Bande für jede Karte verlangt haben.

Nach Recherchen des RBB wurden die Anträge auch meist bewilligt, obwohl gerade bei nigerianischen Dokumenten offiziell erhöhte Wachsamkeit gilt. Das Auswärtige Amt hatte 2010 das sogenannte „Legalisationsverfahren“ ausgesetzt. Das bedeutet, dass Urkunden aus Nigeria grundsätzlich infrage gestellt werden müssen. Nach RBB-Recherchen stellte eine Portugiesin sieben  Mal, jeweils unter anderem Namen, einen Antrag.

Die Senatsinnenverwaltung wehrt sich vehement gegen den Vorwurf, das Ausländeramt habe jahrelang einen Betrug geduldet. Das Amt untersteht der Innenverwaltung. Ein Pressesprecher erklärte dem Tagesspiegel: „Es ist weder jahrelang noch überhaupt etwas geduldet worden. Die Ausländerbehörde hat gehandelt, nachdem ihr erste Informationen vorlagen.“

Die Behörde habe bereits im Oktober 2015 die vorliegenden Verdachtsmomente „aufgegriffen, ernst genommen und das Vorgehen in bestimmten Fällen umgestellt“. Zum Beispiel habe man bei portugiesischen Behörden um Bestätigung gebeten, dass ihnen die Eheschließung bekannt sei.

„Im August 2016 hat die Ausländerbehörde noch restriktiver reagiert: Nigerianische Eheurkunden wurden nicht mehr anerkannt, es wurden Scheinehen-Befragungen durchgeführt.“ Zudem seien Lichtbilder verglichen worden, um Mehrfachidentitäten auszuschließen. Bisher sind der Ausländerbehörde 173 Fälle bekannt.

Die Betroffenen würden vorgeladen und angehört, sagte der Pressesprecher. Sollte jemand seine Aufenthaltskarte rechtswidrig erhalten haben, werde der EU-Aufenthaltstitel aberkannt. Zudem drohe die Abschiebung ins Herkunftsland.

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