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Die Kippa, die im Mittelpunkt des antisemitischen Angriffs Mitte April in Berlin stand

© Sina Schuldt/dpa

Update

Prozess um antisemitischen Angriff in Berlin: Attacke auf Kippa-Träger: 19-Jähriger zu Arrest verurteilt

Vier Wochen Dauerarrest und eine Führung im Haus der Wannsee-Konferenz: Das ist die Strafe für den 19-jährigen Syrer, der aus antisemitischen Motiven einen jungen Mann mit einem Gürtel verprügelte.

Der junge Israeli Adam A. wirkte nachdenklich nach dem Urteil gegen den Mann, der ihn antisemitisch beschimpft und dann mit einer Gürtelschnalle geschlagen hatte. „Auslöser für die Aggression waren die beiden aus Sicht es Angeklagten jüdischen Menschen“, sagte der Jugendrichter. Der 19-jährige Knaan Al S. wurde am Montag zu einem vierwöchigen Arrest verurteilt. Eine Zeit, die durch die U-Haft von mehr als zwei Monaten allerdings abgegolten ist. Der Flüchtling aus Syrien soll zudem für ein Jahr einem Betreuungshelfer unterstellt werden. Und er soll bei einem Besuch im Haus der Wannsee-Konferenz begreifen, welche Werte in Deutschland gelten.

Adam A. trug eine Kippa, als er am 17. April im Bereich Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg angegriffen wurde. Er und sein Freund, ein Deutsch-Marokkaner, der auch eine Kippa hatte, wollten mit der Kopfbedeckung religiöser Juden einem Freund mit jüdischen Wurzeln eine Freude machen. Plötzlich aber kamen von der anderen Straßenseite Beschimpfungen. Knaan Al S. rannte auf Adam A. zu, der gerade auf sein Handy schaute. Mit Wucht und voller Hass holte der Angeklagte mit einem Gürtel aus. „Mindestens drei Mal“, stand für das Gericht fest.

"Ein Missverständnis"

„Yahudi! Yahudi“ schrie der Angeklagte - Arabisch für „Jude! Jude!“ Er wollte die Tat im Prozess als eine Art Missverständnis darstellen. Das Wort sei gefallen, aber nicht auf den ihm fremden Israeli bezogen. Aus Spaß habe er seinen Cousin beschimpft, mit dem er unterwegs war. Und „Jude“ sei für ihn ein Schimpfwort.

Er habe Adam A. geschlagen, weil er beleidigt worden sei. Er habe sich im Recht gefühlt, die Kippa zunächst nicht gesehen, er sei kein Antisemit. Der Ankläger und die Anwältin von Nebenkläger A. sagten: „Es ist ein Fall von Hasskriminalität.“ 

Knaan Al S. lebt seit 2015 in Deutschland. Seine Eltern hatten das für ihn entschieden. Er sollte sich allein durchschlagen und Lehrer werden. „Doch da ist einer zu früh aus dem Nest gefallen“, so das Gericht. Die Attacke auf den Kippa tragenden Israeli sei aber seine erste Straftat gewesen. Al S. sei einer, „den man wieder ins richtige Gleis setzen kann mit einem Betreuer.“

Die milde wirkende Strafe liegt an der Anwendung des Jugendstrafrechts. „Bei Erwachsenenstrafrecht wären wir bei neun oder zehn Monaten Haft“, hieß es weiter im Urteil. Es war 18.32 Uhr, als Knaan Al S. aus dem Saal in die Freiheit ging. Wortlos. Seine Tat, von Adam A. mit dem Handy gefilmt, wurde im Internet veröffentlicht. Al S. hatte erklärt: „Ich habe aus der Sache gelernt.“ Die Anwältin von Adam A. zeigte sich zufrieden mit dem Urteil. Das Gericht folgte im Wesentlichen dem Antrag des Anklägers.

Antisemitismusbeauftragter begrüßt schnelles Urteil

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich erfreut über das Urteil. "Ich begrüße, dass das Urteil relativ zeitnah ergangen ist", sagte Klein der Nachrichtenagentur AFP am Montagabend. "Das Urteil zeigt: Wer sich antisemitisch betätigt oder äußert, steht außerhalb der Gesellschaft und muss mit den Konsequenzen des Rechtsstaats rechnen. Ich hoffe, dass trotz des vergleichsweise milden Urteils eine Signalwirkung davon ausgeht", sagte Klein.

Auch der Zentralrat der Juden begrüßte, "dass der Täter ganz klar wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung schuldig gesprochen wurde". Es zeige sich aber auch, "dass wir mit dem Strafrecht alleine das Antisemitismusproblem nicht in den Griff bekommen werden, sondern in der Schulbildung und bei der Integration der Migranten sehr viel Nachholbedarf besteht", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster.

 Bundesweite Welle der Empörung

Der Angriff hatte bundesweit für eine Welle der Empörung und für Debatten gesorgt. Wie sicher ist jüdisches Leben in Deutschland? Politiker verurteilten den Vorfall. In mehreren Städten kam es zu Solidaritätskundgebungen. In der Hauptstadt versammelten sich Ende April unter dem Motto „Berlin trägt Kippa“ mehr als 2000 Menschen. Die Kippa, die Adam A. trug, kam als „Kippa des Anstoßes“ ins Museum.   (mit dpa, AFP)

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