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Beweisstück. An dieses Boot soll der Investmentbanker Stefan T. gefesselt worden sein. Doch es gibt Ungereimtheiten in der Darstellung des Opfers. Dennoch verbot der Chefermittler kritische Fragen.

© picture alliance / dpa

Prozess um den Maskenmann: Wie hoch war der Druck der Polizeiführung?

Im spektakulären „Maskenmann-Prozess“ stehen Polizisten im Zeugenstand offenbar unter einem starken Druck ihrer Führung. Auch am Freitag gab es dubiose Aussagen vor Gericht. Die Brandenburger Opposition denkt nun über einen Untersuchungsausschuss nach.

Ungewöhnlich lange muss die Zeugin in der blauen Uniformjacke einer Revierpolizisten auf eine einfache Frage vor dem Landgericht in Frankfurt (Oder) überlegen: „Gab es nach ihrer ersten Vernehmung ein Gespräch mit ihren Vorgesetzten?“ Das lange Schweigen dauert mehr als eine Minute, ehe sie nach einer Nachfrage endlich zugibt: „Ja, so ein Gespräch gab es.“ Die Folgen sind an der Uniform zu erkennen. Bis vor wenigen Wochen gehörte Frau B. zur Mordkommission in Frankfurt (Oder) und damit auch zur Sonderkommission „Imker“, die die drei Überfälle auf zwei Berliner Millionärsfamilien in Bad Saarow und Storkow in den Jahren 2011 und 2012 aufklären sollte. „Auf eigenem Wunsch“, wie die Frau um die 40 am Freitag vor Gericht erklärte, mache sie derzeit ein Praktikum auf dem Polizeirevier in Fürstenwalde. Sie wolle endlich abschließen mit den Ermittlungen rund um diesen spektakulären Prozess gegen den Angeklagten Mario K. aus Berlin, der als getarnter „Maskenmann“ sowohl die Familie P. auf deren Wochenendgrundstück angegriffen als auch den Investmentbanker Stefan T. entführt und seine Frau um eine Million Euro Lösegeld erpresst haben soll.

Entlastende Indizien fehlten am Ende

Man merkte der Polizistin sofort ihre Angst und ihre Hemmungen an. Sie gehörte zu jenen Kriminalisten, die von Anfang an Zweifel am geschilderten Ablauf der Entführung am Großen Storkower See hatten. „Ich habe sehr darunter gelitten, dass keine kritischen Fragen in der Sonderkommission gestellt werden durften“, hatte sie in ihrer ersten Vernehmung vor ihrem „freiwilligen Praktikum“ im November gesagt. Gestern wiederholte sie etwas zögerlich die von einer Kollegin in der Frankfurter Polizei erhaltene Mitteilung, wonach in einer Zusammenfassung der Ermittlungsergebnisse im Sommer 2013 sämtliche entlastende Indizien für den damals schon beobachteten Tatverdächtigen fehlen würden. Dieser Bericht aber war schließlich entscheidend für die Festnahme von Mario K. im September 2013 vor einem Einkaufszentrum in Köpenick. 

Nicht nur die Polizistin B. steht offenbar unter einem besonderen Druck ihrer Vorgesetzten. Auch andere Mitglieder der Sonderkommission „Imker“ verhielten sich im Zeugenstand äußerst zurückhaltend oder beriefen sich auf große Erinnerungslücken. Einen möglichen Grund sah der Verteidiger von Mario K. gestern auf den stets dicht gefüllten Besucherplätzen im Gerichtssaal entdeckt zu haben. „Der Protokollant der Polizei ist wieder da“, sagte Axel Weimann. Seinen Vorschlag, den Beamten wenigstens für die Dauer der Zeugenvernehmung der Frau B. aus dem Saal zu bitten, kam der Vorsitzende Richter aber nicht nach. „Ich werfe hier niemanden aus dem Gericht“, erklärte Matthias Fuchs. Der Prozess zu der spektakulären Entführung wird immer mehr selbst zum Spektakel.

"Das habe ich noch nie erlebt" 

So blieb der Informant des Kripo-Chefs der Frankfurter Polizei auf seinem Platz und konnte seine Arbeit mit Stift und Block weiter verrichten. Als weiteres Indiz für die offensichtlich starke Einflussnahme der Polizeiführung auf die Zeugenaussagen von Beamten dient auch ein von Frau B. bestätigtes Gespräch mit den betroffenen Polizisten. „Sie sind beim Chef auf ihre Vernehmung vor Gericht vorbereitet worden. Das habe ich vorher noch nie erlebt“, sagte sie. 

Wie berichtet, hatte vor allem Hauptkommissar Lutz B. als Mitglied der Sonderkommission „Imker“ erhebliche Zweifel an den Aussagen des Entführungsopfers Stefan T. Er hatte ihm unter anderem nicht geglaubt, dass er sich aus einer 33-stündigen Fesselung auf einer Schilfinsel ohne sichtbare äußere Spuren selbst befreien haben konnte. Aufklärung hätte hier ein rechtsmedizinisches Gutachten des Bankers bringen können. „Das gehört zu den üblichen Ermittlungen“, bestätigte der stellvertretende Soko-Chef Matthias Sch. am Freitagnachmittag. „Aus mir unerklärlichen Gründen ist dieses Gutachten im Fall Stefan T. aber unterlassen worden.“ Auch zum Wohl des Opfers hätte das so manche Zweifel vielleicht gar nicht erst aufkommen lassen.

Wegen der massiven Vorwürfe gegen die Polizeiführung in dem spektakulären Entführungsfall erwägt nun die Opposition im Brandenburger Landtag, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. „Die Vorwürfe haben mittlerweile ein Potenzial und einen Umfang erreicht, dass man sich fragen muss, ob sich nicht ein Untersuchungsausschuss mit diesen Dingen beschäftigen soll", sagte Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher. Die Vorwürfe von Beamten der Mordkommission, dass die Ermittlungen nur in eine Richtung gedrängt und entlastenden Hinweisen nicht nachgegangen werden durfte, würden die Glaubwürdigkeit der Polizei untergraben.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

(mit axf)

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