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Ein Angeklagter aus Berlin verdeckt im Grünen-Gewölbe-Prozess in Dresden sein Gesicht.

© Jens Schlueter/AFP Pool/dpa

Update

Prozess um Einbruch in Dresdens Grünes Gewölbe: Juwelendiebe haben „einzigartige und unersetzbare Schmuckstücke“ gestohlen

In Dresden beginnt der Prozess um den Einbruch ins Grüne Gewölbe. Sechs Remmos aus Berlin sind angeklagt – der Clan fiel schon öfter mit dreisten Taten auf.

Ein Neuköllner Clan, ein riskanter Coup und vielleicht für immer verschwundene Juwelen – in Dresden startet an diesem Freitag der Prozess um den Einbruch in das Grüne Gewölbe. Sechs junge Berliner sind insbesondere des schweren Bandendiebstahls angeklagt.

Es geht um die Diamanten des Sächsischen Staatsschatzes im Versicherungswert von fast 114 Millionen Euro, die 2019 in Dresden gestohlen wurden. Die heute 22 bis 28 Jahre alten Angeklagten sind Brüder und Cousins aus der Großfamilie Remmo. Die Jugendkammer des Landgerichts Dresden legte Prozesstermine bis in den Oktober 2022 fest.

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Die Angeklagten sind seit Jahren polizeibekannt, zwei von ihnen gar wegen eines ähnlich spektakulären Einbruchs in Berlin: Die beiden waren 2020 wegen des Diebstahls einer 3,75 Millionen-Euro-Goldmünze aus dem Bode-Museum 2017 verurteilt worden. Während jener Prozess in Berlin lief, so zumindest die aktuelle Anklage, hätten sich die zwei Remmo-Jungen an dem Bruch in Dresden beteiligt.

Zwei Männer waren am 25. November 2019 in das Grüne Gewölbe, das berühmte Museum im Residenzschloss, eingedrungen.
Zwei Männer waren am 25. November 2019 in das Grüne Gewölbe, das berühmte Museum im Residenzschloss, eingedrungen.

© Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Mit der Axt zu 21 Schmuckstücken mit 4300 Diamanten

Die Angeklagten hätten "einzigartige und unersetzbare Schmuckstücke" gestohlen, sagte der Staatsanwalt. "Die Tat war gezielt vorbereitet." Samt "hochmotorisierter Autos", anonym besorgter Mobiltelefone, einer Schusswaffe mit Schalldämpfer für den Notfall.

Am 25. November 2019 drangen Diebe in das Museum im Residenzschloss ein. Tage zuvor waren die Gitter eines Fensters so durchtrennt worden, dass das offenbar nicht aufgefallen war. Nun wurde ein Stromverteiler angezündet, weshalb die Laternen vor dem Grünen Gewölbe ausfielen. Mit einer Axt zertrümmerten zwei Männer in der Dunkelheit eine Vitrine und stahlen 21 Schmuckstücke mit 4300 Diamanten. Sicherheitsleute riefen die Polizei.

Die Diebe entkamen mit einem ersten Fluchtauto, das sie in einer Tiefgarage in Dresden anzündeten. Mit einem zweiten Wagen flohen sie nach Berlin, wo das Auto später zufällig gefunden wurde. DNA-Spuren in den Fluchtwagen und am Museum selbst sowie abgehörte Telefonate im Clanmilieu führten zu einer Großrazzia in Berlin: Ein Jahr nach der Tat stürmten 1600 Polizisten aus acht Bundesländern in Wohnungen, Cafés und Garagen in Berlin. Drei Remmos wurden verhaftet, die anderen Verdächtigen sukzessive gefasst.

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Die Verteidiger gingen zum Prozessauftakt umgehend in die Offensive: Das Gericht habe einem noch nicht zugelassenen Nebenkläger-Anwalt des Freistaats Sachsen unerlaubt Akteneinsicht gewährt. Zudem sei ein Prozess für die zur Tatzeit erst 20-Jährigen von dem für die vier Älteren zu trennen. Ärgerlich sei auch, dass trotz anderslautender Rechtsprechung, nicht nach "diversen", sondern nur nach "männlichen und weiblichen" Kandidaten für das Schöffenamt gefragt worden sei.

Hatten die Einbrecher bis zu 40 unbekannte Helfer?

Der Prozess werde außerdem "unter dem stigmatisierenden Label der Clankriminalität" geführt, sagte einer der 13 Anwälte, von denen die meisten aus Berlin kommen und in anderen Verfahren mit einschlägigen Großfamilien aktiv waren.

Bislang schweigen die Angeklagten. Die Ermittler interessieren sich insbesondere für mögliche Komplizen: Warum wählten die Täter dieses Einstiegsfenster? Hatte jemand Hinweise auf den Ort des Stromverteilers und die Tiefgarage geliefert? An wen wurden die gestohlenen Unikate verkauft – und sei es in zerbrochenen Einzelstücken?

Im Museum soll ein Teil des Alarmsystems am Vortag nach einem Fehlalarm abgeschaltet worden sein. Noch ermittelt Sachsens Landeskriminalamt gegen 40 Verdächtige wegen mutmaßlicher Beihilfe, Hehlerei und Strafvereitelung. Dazu gehören Wachleute des Museums in Dresden, vor allem aber mögliche Komplizen in Berlin. Im Berliner Bode-Museum hatten die Remmos einen Helfer, der dort als Wachmann arbeitete. Die gestohlene 100-Kilogramm-Goldmünze, das vermuten Ermittler, schmolzen Juweliere ein.

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Schon kurz nach dem Einbruch in Dresden wurde über Täter aus Berlin spekuliert. Insbesondere Männer aus dem Umfeld der Remmos waren mit spektakulären Einbrüchen und Überfällen aufgefallen. Neben dem Bode-Museum-Coup wurden Geldtransporter überfallen und ein goldenes Kunstwerks aus einer Schule gestohlen. Einzelne Remmos hatten zudem Hydraulik-Geräte entwendet, die von Feuerwehren für das Öffnen von Autowracks genutzt werden, sich aber auch einsetzen lassen, um Tore und Tresore aufzuspreizen.

Mutmaßlicher Fluchtwagen nach dem Einbruch in das Grüne Gewölbe auf einem Bild der Überwachungskamera.
Mutmaßlicher Fluchtwagen nach dem Einbruch in das Grüne Gewölbe auf einem Bild der Überwachungskamera.

© Polizeidirektion Dresden/dpa

Umfangreiche Aussagen der Anklagten sind wohl nicht zu erwarten. Insbesondere wenn die Vorwürfe zutreffen sollten, werden sich die Brüder und Cousins nicht gegenseitig belasten wollen. Clan-Kriminalität bedeutet, dass die Haupttäter meist aus einer Familie stammen und gemeinsam Straftaten begehen.

Dabei bewegen sie sich, so eine vorläufige Definition des Bundeskriminalamtes, oft in einer ethnisch abgeschotteten Subkultur. Die Familie funktioniere dann wie eine Bande innerhalb eines ohnehin schon engen Milieus. Sie wäre somit jene mafiöse Struktur, zu der sich andere Täter erst zusammenfinden müssen.

Die Remmos gehörten zur arabischsprachigen Mhallami-Volksgruppe im Süden Türkei, wanderten vor 100 Jahren in den Libanon, vor 30 Jahren dann nach Deutschland aus. In Berlin hat die Justiz vor vier Jahren 77 Immobilien aus dem Umfeld des Clans eingezogen.

Vorwurf: Die Häuser, Gärten und Wohnungen wurden mit Geld aus Straftaten erworben. Insbesondere für eine Villa am Stadtrand haben Gerichte das Konfiszieren bestätigt. In dem Haus wohnt der bekannteste Zweig der Großfamilie. Das nun als Vermieter tätige Bezirksamt Neukölln kündigte den dort lebenden Remmos.

Den Angeklagten in Dresden werden auch die Brandstiftungen am Stromverteiler und in der Tiefgarage zur Last gelegt. Ihnen drohen mehrjährige Haftstrafen.

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