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Die Studierenden der Initiative "Holm bleibt" verkünden am Donnerstag das Ende der Besetzung der HU. In einem Raum halten sich aber weiterhin Studenten auf.

© Tilmann Warnecke

Prozess um Holm-Protest an der HU: Verfahren gegen Uni-Besetzer eingestellt

2017 wurden Räume der Humboldt-Universität besetzt. Nun wurden drei Studierende angeklagt – und die Räume nach dem Prozess erneut besetzt.

Die junge Frau legt sich eine Halskette mit der Aufschrift "Antifaschistin" um. Sie ist eine von drei Beschuldigten, die wegen Hausfriedensbruch nach einer Besetzung von Räumen in der Berliner Humboldt-Universität vor Gericht erscheinen mussten. Der Prozessbeginn am Donnerstag verzögerte sich um mehr als eine Stunde.

Rund 40 Studierende und Unterstützer waren zum Amtsgericht Tiergarten in Berlin-Mitte gekommen. Darum und wegen vorangegangener Protestaufrufe war der Prozess in den Sicherheitssaal verlegt worden. Die zwei Frauen und der Mann werden von der Uni beschuldigt, im Februar 2017 das Institut für Sozialwissenschaften "mit einem vorgefassten Tatplan" besetzt und trotz mehrfacher Aufforderung durch das Präsidium der Universität nicht verlassen zu haben.

Die Räume waren mehrere Wochen von mehr als 100 Studierenden in Beschlag genommen worden, um gegen die Entlassung des Stadtsoziologen Andrej Holm zu protestieren. Die HU hatte Holm wegen Falschangaben zu seiner Stasi-Vergangenheit gekündigt - und diese Entscheidung später zurückgenommen und Holm lediglich abgemahnt.

Das Präsidium der Uni hatte damals Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt, die drei Beschuldigten wurden von der Staatsanwaltschaft ermittelt.

Nachdem die 20 Zuschauerplätze im Amtsgericht am Donnerstag dann besetzt waren, ging es schnell. Es habe Vorgespräche gegeben, verkündete der Strafrichter. Sowohl er als auch der Staatsanwalt schlugen eine Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen vor. Die Beschuldigen haben keine Vorstrafen. Die Verteidiger und ihre Mandanten stimmten einem Tagessatz von sechs Mal 50 Euro für den Naturschutzbund zu. Vorgeladenen Zeugen konnten ohne Aussage wieder gehen.

Die Beschuldigten zeigten sich erleichtert. Ein Prozess wäre langwierig geworden und sie hätten zunächst die Anwaltskosten übernehmen müssen und am Ende vielleicht sogar eine Geldstrafe zahlen müssen. Hans-Christoph Keller, Pressesprecher der Humboldt-Universität, sagte nach dem Prozess: "Wir nehmen die Entscheidung des Gerichts zur Kenntnis und nehmen auch zur Kenntnis, dass es keinen Freispruch gab."

Fachschaftsrat fordert Uni auf, Strafanträge zurückzuziehen

Bereits im Vorfeld wurde den Beschuldigten angeboten, die Strafanträge gegen eine Geldbuße von rund 600 Euro, geteilt in 40 Tagessätze, fallenzulassen. Dem stimmten die Beschuldigten nicht zu. Im Gegensatz zu einer Geldstrafe taucht eine Geldbuße nicht im Strafregister auf, erläutert Lisa Jani, Pressesprecherin für den Bereich Strafrecht des Amtsgerichts. Eine Geldbuße ab 40 Tagessätzen käme ins erweiterte Führungszeugnis. Die nun verhängte Buße von sechs Mal 50 Euro hat für die Beschuldigten keine weiteren Folgen.

Im Vorfeld der Verhandlung hatte beispielsweise der Fachschaftsrat Sozialwissenschaften das HU-Präsidium aufgefordert, die Strafanträge zurückzuziehen. Dass dies nicht geschah, sorgte für großen Unmut unter den Studierenden. "Ich finde es eine Schweinerei, dass unsere Kommilitonen für Proteste an der Uni kriminalisiert werden", meinte der 23-jährige Mio. Der HU-Studierende war zum Amtsgericht gekommen, um die Beschuldigten zu unterstützen. Am Sonntag hatte es einen "Soli-Flohmarkt" in Neukölln gegeben - mit den Einnahmen sollen den Beschuldigten vom Donnerstag unterstützt werden.

Diese sind 32, 30 und 23 Jahre alt. Der Jüngste von ihnen studiert Kulturwissenschaften, die 30-Jährige ist gerade mit dem Studium fertig und die Älteste arbeitet als Sozialarbeiterin. Mio kann ihre Entscheidung verstehen, die Einstellung des Prozesses gegen Auflagen zuzustimmen. Trotzdem müsse der Protest weitergehen: "Wir wollen eine kritische Bildung und Mitbestimmung", sagt er. "Wir wollen mitbestimmen, was wir lernen und nicht nur fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden."

Studentischer Protest sei Teil von Universitäten

Die Beschuldigten hatten sich erst kurzfristig zu dem Schritt entschieden, die Tagessätze anzunehmen. Eine von Ihnen hatte eine ausgiebige Verteidigung vorbereitet, die dem Tagesspiegel vorliegt. Holm sei einer der letzten kritischen Sozialwissenschaftler an der HU gewesen, schreibt die junge Frau. Studentischer Protest sei Teil von Universitäten, es ginge um die Demokratisierung von Wissenschaft und Bildung. Das Uni-Präsidium habe diese Forderungen nicht gewürdigt. Ganz im Gegenteil: Es habe sich dazu entschieden, die Besetzerinnen und Besetzer strafrechtlich zu verfolgen.

Beschmierte Wände in Räumen der Humboldt-Universität nach der Besetzung im Februar 2017, dokumentiert von der Uni.
Beschmierte Wände in Räumen der Humboldt-Universität nach der Besetzung im Februar 2017, dokumentiert von der Uni.

© Humboldt-Universität zu Berlin

Uni-Sprecher Keller sagte, die Unileitung habe zu Beginn der Besetzung 2017 deutlich gemacht, dass man Verständnis für diese Protestform habe. Nachdem die Causa Holm erledigt gewesen sei und dieser anstatt einer Kündigung eine Abmahnung erhalten hatte, sei es im Anschluss zu Sachbeschädigungen von rund 30.000 Euro in dem Institut gekommen. "Wir haben sicherlich nicht kriminalisiert. Aber Sachbeschädigungen sind nicht zu akzeptieren", sagte Keller. Daher habe die Uni die Strafanträge nicht fallenlassen.

Gaben Uni-Mitarbeiter Daten von Studierenden an die Polizei?

Die Beschuldigte mit der Antifaschismus-Kette sieht das anders: "Wir sind empört über dieses repressive Vorgehen, welches studentischer Teilhabe an Universitäten durch ein einschüchterndes Klima der Angst vor strafrechtlicher Verfolgung erschwert", wollte sie eigentlich vor Gericht vortragen. Sie sei besonders erschrocken über den "persönlichen Eifer, mit dem einzelne Mitarbeiter*innen der Uni die Ermittlungen gegen ihre eigenen Studierenden" vorangetrieben hatten. So hätten zwei Uni-Mitarbeiter, die auch als Zeugen geladen waren, die Ermittlungsarbeit der Polizei auf eigene Initiative unterstützt.

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Der Uni-Justiziar habe der Polizei freiwillig alle Namen der Fachschaft mitgeteilt. Eine Mitarbeiterin der technischen Abteilung habe private Informationen und Fotos von Studierenden an die Polizei gegeben. Die Mitarbeiter und Zeugen wollten sich nach Prozessende gegenüber dem Tagesspiegel nicht zum Thema äußern. Der Pressesprecher der Uni sagte, mit den Vorwürfen konfrontiert: "Kein Kommentar".

Nach dem Prozess wird die Uni erneut besetzt

Nicht nur die HU, sondern alle Berliner Universitäten hätten ein Demokratie-Problem, sagte die Beschuldigte mit der Kette. Alle Hochschulen seien nicht ausgenommen vom Erstarken der neuen Rechte. Es gebe AfD-nahe Studigruppen, Professorinnen und Professoren mit flüchtlingsfeindlichen Positionen, rechts-konservative Burschenschaften, Flyer, die zum Töten von Muslimen aufrufen in der Bibliothek, und vieles mehr.

"Die Berliner Hochschulpolitik und auch Abgeordnete sollten endlich sehen, dass wir an den Unis in Berlin massive Probleme haben. Wir wollen darüber diskutieren", so ein Studierender nach dem Prozess. Er fuhr dann noch zur Vorlesung. Am Donnerstag, direkt nach dem Prozess im Amtsgericht, wurde das Sozialwissenschaftliche Institut der Humboldt-Uni erneut besetzt - es wird gegen den Einmarsch der Türkei ins syrische Rojava demonstriert.

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