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Am S-Bahnhof Grünbergallee starb ein 72-Jähriger.

© Kai-Uwe Heinrich

Prozess um Streit im S-Bahnhof: Rentner stürzte nach Faustschlag zu Tode

Ein Radfahrer steht vor Gericht. Er hatte im August 2014 einen Rentner niedergeschlagen, der dann an den Folgen eines Treppensturzes starb. Die Attacke gibt der Radfahrer zu – und erzählt dann seine eigene Version.

Der Rentner wollte zum Einkaufen und hatte zwei Tüten mit Pfandflaschen dabei. Auf dem S-Bahnhof schwirrte ein Radfahrer dicht vorbei und touchierte ihn. Der Mann hätte absteigen und um Entschuldigung bitten können. Sebastian L., 39 Jahre alt, ließ es jedoch auf einen Streit ankommen. Knapp sechs Monate später muss er sich wegen Totschlags vor Gericht verantworten. Er soll mit der Faust auf den 72-jährigen Fußgänger eingeprügelt haben. Joachim B. stürzte zwölf Stufen tief und erlitt tödliche Kopfverletzungen.

Von einer Attacke geht die Anklage aus. „Ohne rechtfertigenden Grund“ habe L. den Rentner geschlagen – wuchtig mit der Faust. Mehrere Schläge gegen Kopf und Oberkörper seien es gewesen. Sebastian L.s Version ist eine andere. Moralisch sei er verantwortlich, erklärte er über seinen Verteidiger. Aber er habe sich nur gewehrt. „Er ohrfeigte mich, ohne nachzudenken schlug ich zurück.“ Ein einziger Faustschlag sei es gewesen.

Gegen 12 Uhr kam es am 6. August vorigen Jahres auf dem S-Bahnhof Grünbergallee im Treptower Ortsteil Bohnsdorf zu der verhängnisvollen Begegnung. L., der nach einem Arbeitsunfall erwerbsunfähig ist, ignorierte das Radfahrverbot im Bahnhofsbereich. Joachim B. habe sich darüber wohl geärgert, erklärte der Angeklagte. „Er stellte sich mir in den Weg.“ An eine Kollision aber könne er sich nicht erinnern, so L. weiter.

Er will nach einem kurzen Wortwechsel weiter durch den Tunnel für Fußgänger gefahren sein. Eine 57-jährige Zeugin aber gab später bei der Polizei eine Pöbelei zu Protokoll, die er in Richtung des Rentners gerufen haben soll: „Komm her du Penner, was willst du!“ Der Rentner sei mit seinen Tüten „so schnell er konnte“ die Treppen hinuntergelaufen.

Dem ersten Zusammentreffen folgte ein zweites im Tunnel und schließlich ein drittes am Treppenaufgang. Plötzlich sei Joachim B. vor ihm aufgetaucht. „Mit aggressivem Blick“, so der Angeklagte. Als er fragte, was er von ihm wolle, habe B. mit der Hand ausgeholt. Der Verteidiger sagte: „Es war ein tragischer Unglücksfall, der Verstorbene hat emotional reagiert, lief hinterher, wollte ihn zur Rede stellen.“ L. habe den Tod des Mannes nicht gewollt.

Warum kam es zur dritten Begegnung? Hatte L. nach dem Wortgefecht auf B. gewartet? Einer seiner Freunde schilderte ihn als gewaltfrei. Aber nichts anderes wurde über das Opfer berichtet. Unter Tränen sagte die Witwe, ihr Mann würde einen solchen Radfahrer zur Rede stellen, „aber nicht angreifen“. Fortsetzung ist am 9. Februar.

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