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Berlin: Prügel statt Erleuchtung: Haftstrafe für den Guru

Eine 30-Jährige wurde bei „spiritueller Sitzung“ misshandelt

„Wie können Sie behaupten, aus Liebe gehandelt zu haben? Was ist das für eine Liebe?“ Der Richter sprach die acht Angeklagten persönlich an. Ob Ihnen klar sei, wo man sonst von solchen Dingen lese? „In Berichten über Folteropfer!“ Doch tiefe Betroffenheit zeigten Guru Ramin H. und seine sieben Jüngerinnen auch am Ende des Prozesses nicht. Während einer „spirituellen Sitzung“ hatten sie eine 30-jährige Frau bis zur Bewusstlosigkeit misshandelt. Gestern verhängte das Berliner Landgericht eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und zwei Monaten gegen den 40-jährigen Guru; seine 20- bis 30-jährigen Jüngerinnen kamen mit Bewährungsstrafen zwischen 8 und 24 Monaten davon. Die Frauen müssen bis zu 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Die Richter bezeichneten den Übergriff als einen „ungeheuerlichen Gewaltexzess“, die Angeklagten dagegen hatten dem Geschehen das Mäntelchen einer „Konfrontation aus Nächstenliebe“ umgehängt. Wenn bei einem Mitglied ihrer etwa 20-köpfigen „Spirituellen Lebensgemeinschaft Aum“ schlechte Eigenschaften entdeckt worden seien, habe man es davon befreien wollen. Nach dem Gruppen-Prinzip der „Erziehung durch Güte und Strenge“ - auch mit „körperlicher Konfrontation“. Das habe Diana S., die in einer schwierigen familiären Situation bei der Gruppe Halt und Unterstützung gesucht hatte, sehr wohl gewusst.

Im Fall der Sängerin S. bestand der Fehler in einer falschen Antwort. Als es im Februar in einer Wohnung der Sekte in Prenzlauer Berg um die Frage ging, welches Gruppenmitglied momentan die meiste Hilfe der anderen benötigte, nannte sich die allein erziehende Mutter selbst. Es kam zu der „Konfrontation“, bei der ihr der Guru den Telefonhörer auf den Kopf schlug und die anderen aufforderte: „Haut der mal eine.“ Das anschließende Martyrium der Frau dauerte fünf Stunden. Sie wurde geschlagen, getreten und mit einem Gewürzmörser bis zu Bewusstlosigkeit geprügelt. Mit vier Rippenbrüchen, Prellungen und einem Schleudertrauma schlich sie am folgenden Tag aus der Wohnung.

Die Jüngerinnen, die alle ein Studium oder eine Ausbildung abgeschlossen haben, machten mit oder ließen es geschehen. Die Richter sprachen die Angeklagten deshalb der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung und Freiheitsberaubung schuldig. Der Guru habe die Tat gesteuert und am härtesten zugeschlagen, hieß es im Urteil. Die Gedankenwelt der Gruppe und ihre Begründungen für die „Konfrontation“ seien „ein aus psychologischen Halbwahrheiten zusammengestoppelter Blödsinn“.

Die acht Angeklagten haben dem Opfer zwar freiwillig 4000 Euro Schmerzensgeld gezahlt. Doch von wirklicher Einsicht war im Prozess wenig zu spüren. Als Diana S. aussagte, blickten sie geringschätzigin ihre Richtung oder lächelten entspannt. Eine Gruppe könne auch etwas sehr Gefährliches haben, es bestehe die Gefahr, dass sie sich verrenne, mahnte der Richter. Die Angeklagten senkten nicht einmal die Köpfe.

Kerstin Gehrke

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