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Berlin: „Pünktlich öffnen“ und„Gebrechliche bevorzugt abfertigen“

Der Leitfaden für Wahlvorstände regelt die Abläufe im Wahllokal

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Sonntagfrüh, spätestens um sieben Uhr, mussten die Wahlvorsteher ihr Wahllokal aufschließen. Unter dem Arm trugen sie eine Kiste, in der sich das Original des Wählerverzeichnisses befand und ausreichend viele Stimmzettel. Dazu eine Zählliste, ein Formular für die Wahlniederschrift und die so genannte Schnellmeldung, zwei Flaggen, Plakate, Verzeichnisse, Papier und Schreibmaterial und – nicht zu vergessen – Schloss und Schlüssel für die Wahlurnen. Geld in kleinen Schienen hatten sie auch dabei: für das Erfrischungsgeld, das jedem Wahlhelfer zusteht. Was dann im Wahllokal zu tun ist, steht im Leitfaden für Wahlvorstände:

Der Wahlraum ist ordnungsgemäß mit Tischen, Stühlen, Lampen und Wahlzellen auszustatten und er muss würdig ausgeschmückt werden. Mit der Nationalfahne (schwarzes Feld nach links) und der Berliner Flagge (Gesicht des Bären nach links). Dann werden die Wahlbekanntmachung und Muster des Stimmzettels an die Wand geheftet. Und große Pfeile, damit sich keiner verläuft. Die Wahlzellen müssen so aufgestellt werden, dass im Inneren gute Lichtverhältnisse herrschen. Aber auch so, dass aus den Fenstern benachbarter Häuser kein Wahlgeheimnisbrecher in die Wahlzelle schauen kann. In jeder Schreibzelle muss ein funktionierender Schreibstift liegen, dessen Brauchbarkeit bis 18 Uhr laufend zu prüfen ist.

Geraucht werden darf im Wahlraum nicht. Kinder hingegen sind nicht verboten, aber sie müssen in Begleitung von Wahlberechtigten kommen. Wer die Ruhe und den Wahlablauf stört, ist des Raumes zu verweisen. Allerdings erst, wenn er seine Stimme abgegeben hat. Streng untersagt sind Wahlplakate im Wahlraum. „Jede Wahlwerbung ist sofort zu unterbinden; Ansprachen sind nicht gestattet“, steht im Wahlhelfer-Leitfaden. Besonders in Klassenzimmern sei darauf zu achten, „dass sich an den Wänden keine politischen Äußerungen befinden“. Rasch wird noch nachgeguckt, ob die Wahlurne leer ist, dann wird sie verschlossen und den Schlüssel gibt der Wahlvorsteher bis 18 Uhr nicht aus der Hand.

Dann, endlich, geht es los. „Pünktlich um acht Uhr ist die Wahlhandlung zu eröffnen.“ Was der einzelne Wahlberechtigte mitzubringen, vorzuzeigen und auszufüllen hat, ist auch sehr penibel geregelt. Jeder darf auch nur „solange wie notwendig“ in der Wahlkabine bleiben, was immer das heißen mag. Der Stimmzettel muss, sobald er ausgefüllt ist, nach innen gefaltet und persönlich in die Wahlurne geworfen werden, um das Wahlgeheimnis zu wahren. „Schwerbehinderte oder gebrechliche Personen sind bevorzugt abzufertigen.“ Wahlzettel, die nicht gefaltet oder außerhalb der Wahlkabine ausgefüllt wurden, müssen zerrissen werden. Aber „die Stücke sind dem Wahlberechtigten zu belassen“.

Nach 18 Uhr darf nur noch wählen, wer am Ende der Wahlzeit im Wahlraum anwesend war „oder sich aus Platzmangel vor dem Wahllokal befand“. Notfalls muss einer der Wahlvorständler Punkt 18 Uhr auf die Straße flitzen „und alle Personen zurückweisen, die sich noch anreihen wollen“. Nun beginnt das Auszählen. Was sagt der Leitfaden dazu: „Diese Arbeit ist mit äußerster Genauigkeit und größtmöglicher Schnelligkeit durchzuführen.“ Zunächst wird sämtlicher Papierkram vom Wahlvorstandstisch entfernt, dann wird die Wahlurne aufgeschlossen und „vollständig geleert“. Die Stimmzettel werden entfaltet und sortiert. Mehrere Stapel sind vorgeschrieben: Zweifelsfrei gültige Stimmzettel mit gleicher Erst- und Zweitstimme; gültige Zettel mit unterschiedlicher Erst- und Zweitstimme, gültige Zettel mit nur einer Stimme; Zettel ohne Kreuzchen und Stimmzettel, „die Anlass zu Bedenken geben und über die später vom Wahlvorstand Beschluss zu fassen ist“.

Ist alles ausgezählt und niedergeschrieben, werden die Stimmzettel-Stapel einzeln gebündelt, verpackt und versiegelt und mit der Aufschrift des Wahlbezirks versehen. Wahlkabinen und Urnen „sind bei dem Inhaber des Wahllokals sicherzustellen“. Der übrig gebliebene Papierkram und die Flaggen kommen wieder in die Kiste und müssen sofort ins bezirkliche Wahlamt gebracht werden. Anschließend haben die Wahlhelfer Feierabend – ganz ungeregelt.

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