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Berlin: Putin in Berlin: Der russische Staatschef gedachte am Treptower Ehrenmal der gefallenen Sowjetsoldaten

Es waren nur zwei Minuten, aber die werden die jungen Russen wohl nie vergessen. "Wir haben mit dem Präsidenten gesprochen", sagte Dmitri Samokhin strahlend.

Es waren nur zwei Minuten, aber die werden die jungen Russen wohl nie vergessen. "Wir haben mit dem Präsidenten gesprochen", sagte Dmitri Samokhin strahlend. Der 14-Jährige war einer von 50 Schülern und Lehrern der russischen Botschaftsschule, die ihren Präsidenten gestern Morgen am sowjetischen Ehrenmal in Treptow trafen. Putin, berichten die Jugendlichen, hätte sie "ganz locker" nach ihren Zukunftsplänen in Russland gefragt. An welchen Instituten sie nach Abschluss der 11. Klasse studieren wollten? Kein Appell also an die vaterländischen Gefühle der Diplomatenkinder.

Das russische Protokoll hatte eine schlichte Zeremonie zum Gedenken an die 20 000 Rotarmisten vorgesehen, die vor 55 Jahren in der Schlacht um Berlin gefallen sind. Etwa 5000 von ihnen wurden inmitten des Ehrenhains im Treptower Park begraben. Die 200 Meter vom Eingangsportal, das aus zwei 14 Meter hohen, stilisierten sowjetischen Fahnen gebildet wird, zum 30 Meter hohen Mausoleum schritten der Präsident und sein Gefolge langsam ab. Wladimir Putin wurde von seiner Ministergarde begleitet, darunter Verteidigungsminister Marschall Igor Sergejew, Außenminister Igor Iwanow und Wirtschaftsminister German Gref. Von deutscher Seite war nur der Botschafter in Moskau, Ernst-Jörg von Studnitz, vertreten. Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach später vor der Presse von "symbolischen Gesten", derer die pragmatischen Beziehungen zwischen der beiden Staaten nicht länger bedürften. Auf dem Portal des Ehrenmals, das aus dem roten Granit von Hitlers Reichskanzlei geformt ist, ist ein Stalin-Zitat verewigt: "Ewiger Ruhm den Helden, die für die Freiheit und Unabhängigkeit der sozialistischen Heimat gefallen sind."

Ein russischer Fernsehjournalist sitzt etwas abseits von den Kollegen, die in kleinen Grüppchen auf Putin warten. Der 56-jährige Evgenij Bodrunas gedenkt seines Vaters. Er ist im Großen Vaterländischen Krieg gefallen. Wo er begraben ist, weiß sein Sohn nicht. "Auf jedem Friedhof muss ich an ihn denken", sagt er. Auch wenn er, wie der zwischen 1946 und 1949 entstandene Treptower Soldatenfriedhof im stalinistischen Monumentalstil gestaltet sei. Bodrunas ist überrascht über den guten Zustand des Ehrenmals. "Herrenlos und verwahrlost" hätte er sich die Anlage nach dem Abzug der sowjetischen Truppen vorgestellt. Dass die Bundesregierung seit 1990 etwa 10 Millionen Mark für den Erhalt der Ehrenmäler gezahlt hat und das Fundament des Treptower Fahnenmonuments jetzt für drei Millionen Mark saniert werden soll, freut und überrascht ihn. Zumindest für die Russen seiner Generation sei das Gedenken an die Opfer des Krieges allgegenwärtig: "Jeder russische Mensch lebt, weil sie für uns und unser Land gestorben sind."

Für die Botschaftsschüler war die Begegnung mit Putin zweifellos bewegender, als das Gedenken an die Kameraden ihrer Urgroßväter. Was empfinden sie angesichts des bronzenen Kriegers, der ein Hakenkreuz zertritt und ein gerettetes Kind auf dem Arm hält? "Ach, wir waren schon so oft hier", sagt ein Mädchen. Am Fuße des Mausoleums hatten die Jugendlichen im kalten Morgenwind eine halbe Stunde lang auf Putin gewartet. Während der Präsident schließlich allein die Stufen zum Mausoleum hochging, um im Inneren den Kranz niederzulegen, standen sie reglos am Rande. Nach dem kurzen Gespräch mit Putin - er fragte auch, wie es den Jugendlichen in Berlin gefalle - ließen sie rote Nelken und Rosen auf den Stufen zum Mausoleum zurück. So hatte es vorher schon Putins Gefolge gehalten. Und wie haben sich die Schüler auf die Begegnung am Ehrenmal vorbereitet? "Einige der Jungen haben einen neuen Anzug bekommen."

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