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Berlin: Putin in Berlin: Nach dem Liebesmahl zum Ritter geschlagen

Es hatte alles so gemütlich angefangen: Nach seiner Ankunft am Flughafen Tegel zog sich Russlands Präsident Wladimir Putin mit seiner Frau Ludmila zum privaten Essen in die "Schänke" der Spandauer Zitadelle zurück. Nach einer Nacht im Hotel Palace begann der Berlin-Stress: Politische Konsultationen im Stundentakt.

Es hatte alles so gemütlich angefangen: Nach seiner Ankunft am Flughafen Tegel zog sich Russlands Präsident Wladimir Putin mit seiner Frau Ludmila zum privaten Essen in die "Schänke" der Spandauer Zitadelle zurück. Nach einer Nacht im Hotel Palace begann der Berlin-Stress: Politische Konsultationen im Stundentakt. Heute legt er einen Kranz am Ehrenmal in Treptow nieder, am Nachmittag soll ein Gang durchs Brandenburger Tor folgen.

Arbeiten und Essen blieb nach dem privaten Auftakt das inoffizielle Motto des Putin-Besuchs: Gestern morgen um 10 Uhr Begrüßung mit militärischen Ehren im Kanzleramt, danach ein Konsultationsmarathon in der Russischen Botschaft. Im Schloss Bellevue konnte der Präsident ein wenig durchatmen. Kollege Rau ließ Krebssüppchen und Steinbutt servieren. Am Nachmittag folgte eine Rede Putins im Haus der deutschen Wirtschaft, am Abend ein Essen beim Ehepaar Schröder.

Am Abend zuvor hatte der Besuch romantisch begonnen - unter den Augen eines Tagesspiegel-Mitarbeiters. Vermutlich hätte in der Zitadellen-Schänke kaum jemand den Gästen besondere Beachtung geschenkt, die gegen 22 Uhr eintrafen, wären da nicht die zahlreichen betont unauffälligen Herren und Damen mit dem auffälligen Knopf im Ohr gewesen. Wladimir Putin in schwarzen Jeans und grauem Polohemd, Ehefrau Ludmila in ärmelloser, beigefarbener Bluse und passender Hose. Das russische Präsidentenpaar nahm ganz allein an einer Tafel in der hintersten Ecke des Kaminzimmers Platz, während die rund zwei Dutzend Begleiter und Sicherheitsbeamten an vier Nachbartischen platziert wurden. Wie es heißt, wollten die Putins trotz des Begleittrosses einen Abend zu zweit verbringen.

Zitadellenwirt Werner Niklefski hatte erst wenige Stunden zuvor erfahren, welch prominenter Besuch ihm ins Haus steht. BKA-Beamte inspizierten in kurzen Abständen die Räume, schon Stunden vorher war die Zitadellen-Zufahrt von Polizisten bewacht. Nur wer die Schänke als Ziel nannte, durfte passieren. Das Restaurant sollte auf ausdrücklichem Wunsch der Russen für das normale Publikum geöffnet bleiben. Doch nur vier Gäste hielten sich zu fortgerückter Stunde in dem historischen Gewölbe auf, in dem Dutzende von Kerzen brennen und eine Hexe unter der Decke schwebt.

Zitadellenbarde Michael Thilo stimmte zur Begrüßung ein russisches Lied an, bevor er zum klassischen Repertoire wie dem "Heideröslein" zurückkehrte. Serviert wurde das reguläre, "Liebesmahl aus der Küche der Alchemisten" genannte Abendmenü mit orientalischer Vorspeise, Suppe und Rosmarien gebeizter Kalbskeule. Putin trank dazu ein Bier und rief "Prost" in den Raum. Später probierte der Präsident auch Met aus dem Horn, dazu gab es Dudelsackmusik und den Auftritt einer Fackeltänzerin. Wladimir Putin ließ das Spektakel mit dezentem Lächeln über sich ergehen. Nur als sich eine dreiste Hexe zu nah an die Staatsgäste wagte, verscheuchte sie ein eilig hinzuspringender Sicherheitsbeamter.

Nach dem Essen leerte Putin brav den gereichten Bierkrug. Die übliche Prüfung für den anschließenden Ritterschlag, zu dem der erste Mann Russlands artig in die Knie ging. Keiner der Bodyguards zuckte, als sich das riesige Holzschwert auf die Schulter des Präsidenten senkte. Anschließend tanzten Wladimir, der sich jetzt "Ritter von Spandau" nennen darf, und seine Ludmila mit den Tänzerinnen. Zum Abschied drückte der perfekt Deutsch sprechende Gast dem stellvertretenden Oberkellner Hubert 100 Dollar für das Personal in die Hand.

R. W. During u. A. Burchard

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