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Berlin: Quäl Dich, Peter!

Marathon-Gottesdienst in der Kreuzkirche

Halb zehn – am Hohenzollerndamm herrscht die Ruhe vor dem Sturm. Männer von den Wasserbetrieben schließen die Läufer-Dusche „Shower of Love“ an und die Streckenposten in ihren gelben Jacken blinzeln gelangweilt in die Sonne. Vor der evangelischen Kreuzkirche, die bei Kilometer 30 der Rennstrecke liegt, baut sich eine Jazzkapelle auf und ein Haufen Gemeindemitglieder heizt Grill und Waffeleisen für die Marathon-Party an. Drinnen startet der Gottesdienst zum Marathon vor gelichteten Reihen und Pfarrer Walter-Christian Krügerke fordert erst mal alle zum Näherrücken auf. „Wir sind ja heute eine Stunde früher dran als sonst, damit Sie noch über den Hohenzollerndamm zurückkommen.“

Die weithin sichtbare Kreuzkirche mit ihrem wehrhaften Turm aus dunkelrotem Eisenklinker ist einer der seltenen expressionistischen Kirchbauten Berlins und hat innen ein bisschen was vom Kabinett des Dr. Caligari. Ein niedriger Kreuzgang in Rottönen führt tunnelartig in den blaugrünen Kirchenraum. Und der Altarraum ist lila in geometrischen Formen ausgemalt.

Inmitten dieses Farbgewitters sieht Pfarrer Krügerkes schwarzer Talar revolutionär schlicht aus. Obwohl Lieder wie „Vertraut den neuen Wegen“ sportiv anmuten und heute noch ein Kinderspendenmarathon und ein Marathonkonzert für bedürftige Jazzer in New Orleans angesetzt ist, hat die Predigt nichts mit Langlauf zu tun. Es geht um einen reichen jungen Mann, der Jesus fragt, wie er das ewige Leben erwerben kann. Mit der Antwort: Gott lieben, den Nächsten lieben, Gebote halten, gibt er sich nicht zufrieden, erzählt Pfarrer Krügerke. „Er will nicht, dass sein Leben ein Fertigprodukt ist.“ Allen Besitz verschenken, wozu ihn Jesus dann auffordert, mag er aber auch nicht, „denn er kann sich nicht vorstellen, als Habenichts zu leben.“ Jesus reagiert mit dem berühmten Satz: Eher passt ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt. Mit dem darin enthaltenen, radikalen Lebensentwurf schockiert Jesus nicht nur den jungen Mann, sondern auch seine Jünger, meint Pfarrer Krügerke. Christen sollen alles loslassen und sich ganz in Gottes Hände geben.

Halb elf – draußen knattern Hubschrauber, die Band spielt Dixie und jede Menge Leute an der Strecke feuern die Marathonläufer mit Rasseln, Tröten und Pfeifen an. „Quäl Dich, Peter!“, steht auf einem Schild. Noch so eine freundliche, aber unerbittliche Aufforderung wie in der Predigt.

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