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Berlin: Qualifiziert in die Arbeitslosigkeit

Verbände kritisieren Ausbildungsangebot freier Träger. Besser als keine Lehrstellen, kontert der Senat

Karla Werkentin sorgt sich um die Zukunft ihrer Hauptschulabgänger. 55 Jugendliche verabschiedete die Direktorin der Heinz-Brandt-Oberschule in diesem Sommer. Davon haben nur zehn Prozent eine Lehrstelle bei einem Betrieb gefunden. Den anderen bleibt nur, weiter zur Schule zu gehen, eine Verbundausbildung oder eine überbetriebliche Lehre bei einem freien Träger anzufangen. Von den überbetrieblichen Lösungen hält Werkentin aber wenig: „Da werden die Jugendlichen in die zielgerichtete Arbeitslosigkeit ausgebildet.“ Ihre Kritik: Das Lehrstellen-Angebot sei zu trägerbezogen und zu wirtschaftsfern. „Es sind übermäßig viele Maler im Angebot“, behauptet Werkentin.

Die Direktorin ist nicht die einzige, die sich über das überbetriebliche Ausbildungsangebot wundert. „Freie Trägern bieten oft Ausbildungen an, mit denen es in Berlin schwierig ist, einen Arbeitsplatz zu finden“, sagt auch Almuth Draeger, die Sprecherin der Handwerkskammer. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) schließt sich der Kritik an: „Es gibt eine Abkopplung von Arbeitsmarkt und Bildungsmarkt“, sagt Rainer Schöne, Bereichsleiter Berufsausbildung bei der IHK. Schöne bemängelt eine „latente Fehlentwicklung“ bei der Bewilligung der Ausbildungsplätze durch das Arbeitsamt. Dennoch meint auch Schöne: „Die freien Träger sind für das Ausbildungssystem unverzichtbar.“

45 freie Träger bieten in Berlin überbetriebliche Ausbildungsplätze an. Die drei größten: der Internationale Bund für Sozialarbeit, das SOS Kinderdorf und die Akademie für Berufsförderung und Umschulung. In ihren Einrichtungen lernen besonders benachteiligte Jugendliche, die noch nicht reif für den Betrieb oder einfach nicht vermittelbar sind. Zum Beispiel wegen mangelnder Deutsch- oder Mathematikkenntnisse.

Die Kritik der Kammern lässt Christina Unger vom Arbeitsamt Nord nicht gelten: „Die Auswahl der Ausbildungsberufe richtet sich nach Zielgruppe und Bedarf auf dem Arbeitsmarkt.“ Berufe mit schlechten Vermittlungsperspektiven würden entsprechend weniger gefördert. Und Maler machten in diesem Jahr nur 120 der insgesamt 1720 überbetrieblichen Ausbildungsplätze aus.

Die Fähigkeiten der Jugendlichen werden von Berufsberatern auf Lehrgängen ermittelt, die der überbetrieblichen Ausbildung vorausgehen und sechs Monate dauern. „So wird der Bedarf erhoben“, sagt Unger. Die Arbeitsämter schreiben dann die Ausbildungsplätze offiziell aus, auf die sich die freien Träger bewerben können.

Daten über die spätere Vermittelbarkeit von Jugendlichen, die bei freien Trägern gelernt haben, erhebt das Arbeitsamt nicht. Klar ist aber, dass sie gegenüber Gesellen, die bei einem Betrieb oder im Verbund gelernt haben, im Nachteil sind: Schließlich können freie Träger ihre Azubis nicht übernehmen. „Die Chance, in einem Betrieb unterzukommen, ist allgemein schon schlecht. Bei jungen Leuten, die in freien Bildungsträgern lernen, ist das noch schwieriger“, sagt Rainer Schöne von der IHK. Derzeit sind 35567 Unter-25-Jährige in Berlin arbeitslos gemeldet, darunter allerdings viele, die überhaupt keine Ausbildung absolviert haben.

„Es ist besser, mit einem Gesellenbrief arbeitslos zu sein als ohne“, nimmt Christoph Lang, Sprecher der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, die überbetriebliche Ausbildung in Schutz. Schließlich habe man dann auch Anspruch auf Arbeitslosengeld. Und: „Ab 2006 werden Fachkräfte wieder gebraucht.“

Viola Volland

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