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Konzernbevollmächtigter Alexander Kaczmarek stellt die "Qualitätsoffensive S-Bahn Plus" vor.

© Arne Immanuel Bänsch/dpa

"Qualitätsoffensive" im Nahverkehr: Die Berliner S-Bahn will alles besser machen – bis 2025

Pünktlicher, zuverlässiger und schöner will die Berliner S-Bahn in Zukunft werden. Doch das dauert – und kostet 30 Millionen Euro.

Aus der S-Bahn soll eine Super-Bahn werden. Mit einem 30-Millionen-Euro-Programm will das Unternehmen pünktlicher, zuverlässiger und auch schöner werden. Der Haken: Das dauert mindestens bis zum Jahr 2025. Seit Anfang des Jahres haben rund 50 Mitarbeiter aus fast allen Bereichen nachgedacht, wie der Betrieb verbessert werden kann. Am Mittwoch stellte die Bahn das Ergebnis vor, das aus rund 180 „Bausteinen“ besteht. Hier die wichtigsten:

IM ZUG

- Zentrales Öffnen der Türen in der Hauptverkehrszeit auf wichtigen Bahnhöfen. Ein Test beginnt offiziell am 23. Juli zwischen Ostkreuz und Hauptbahnhof.

- Jährlich will die S-Bahn rund 100 Triebfahrzeugführer ausbilden. Sie will nach Angaben ihres Chefs Peter Buchner mehr Fahrer einstellen als rechnerisch für den Betrieb erforderlich sind. Genügend Bewerber zu finden, ist allerdings schwierig.

- In allen 500 Doppelwagen der Baureihe 481 werden die Türrelais ausgetauscht. Nach langem Suchen hätten die Mitarbeiter in den Werkstätten herausgefunden, dass dieses Teil die häufigen Türdefekte verursacht habe, sagte Buchner.

- Zusammen mit dem Hersteller habe man auch eine Lösung gefunden, wie im Sommer das Überhitzen der Technikschränke in den Zügen der Reihe 481 vermieden werden kann, sagte Buchner. Falle deshalb die Technik aus, sei der Zug nicht mehr einsetzbar. Fahrten müssten ausfallen. Diese Arbeiten an den Technikschränken sollen im Herbst beginnen und etwa ein Jahr dauern.

AN DEN GLEISEN

– Weichen und Signale sollen stabiler funktionieren. Nach Angaben von Helge Schreinert vom Bereich Netz der Bahn gibt es bisher täglich drei bis vier Störungen, die den Betrieb behindern. Auf der besonders belasteten Stadtbahn zwischen Ostbahnhof und Charlottenburg will die Bahn nun die Weichen statt alle zwei Monate im Monatsrhythmus kontrollieren. Zudem sollen sie im gesamten Netz winterfester und ihre Funktion verstärkt automatisch kontrolliert werden.

- Vorantreiben will die Bahn den Austausch von Signalkabeln. Bisher waren sie anfällig für Rattenbisse oder Kurzschlüsse durch eindringendes Wasser. Nun werden nach Angaben von Schreinert „bissfeste“ Kabel verwendet, in denen die Leitungen besser isoliert sind. Ersetzen will die Bahn 915 störanfällige Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik.

- Um die Stromversorgung zu verbessern und um den „Saft“ für zusätzliche Züge bereitstellen zu können, ist zudem nach Angaben von Frank Frühbrod, dem Leiter der Stromversorgung bei der S-Bahn, der Bau von 22 weiteren sogenannten Unterwerken innerhalb der Stadt vorgesehen, in denen aus dem Wechselstrom des Hochleistungsnetzes der Gleichstrom für die S-Bahn wird. Weitere zehn dieser Unterwerke sind an Außenstrecken geplant. Die Kosten in Höhe von 230 Millionen Euro übernehmen nach Frühbrods Angaben außerhalb des Programms der Bund und die Länder.

BAHNHÖFE

Zur Qualitätsoffensive gehören nicht nur technische Bereiche. Auch die Bahnhöfe sollen schöner und sicherer werden.

- Für 17 Bahnhöfe sind Um- und Einbauten mit Kosten in Höhe von 5,5 Millionen Euro vorgesehen. Davon verschlinge allein der Bahnhof Charlottenburg 1,3 Millionen Euro, sagte Friedemann Keßler, der Leiter des Bahnhofsbereichs der Region. Im Bahnhof Neukölln sollen weitere Kameras eingebaut werden. Auf der Verschönerungsliste stehen unter anderem auch die Stationen Frankfurter Allee, Tempelhof, Wedding und Westkreuz. Die meisten Arbeiten sollen nach Keßlers Angaben innerhalb eines Jahres fertig sein.

- Von Bahnhöfen, die bisher nur eine einfache Anzeige haben, sollen weitere mit den Displays ausgestattet werden, die die Abfahrtszeiten der Züge anzeigen.

- In den Bahnhöfen Alexanderplatz und Warschauer Straße setzt die Bahn nach Angaben des Berliner Konzernbevollmächtigten Alexander Kaczmarek zusätzliche Sicherheitskräfte ein, die die mobilen Wachen ergänzen, die bereits für fünf Bahnhöfe vorgesehen und teilweise schon eingerichtet sind.

- In den Stationen will die Bahn mehr Personal auch zum Reinigen einsetzen.

- Um zu verhindern, dass Menschen vom Bahnsteigende aus aufs Gleis gehen, testet die Bahn am Ostbahnhof „Bahnsteig-Endtüren“ in Form eines „filigranen Zaunes“, sagte Keßler. Allein am Ostbahnhof gebe es jährlich rund 100 Betriebsunterbrechungen durch „Personen im Gleis.“

GESPRÄCHE

Die Bahn will das neue Konzept im August auf mehreren Bahnhöfen in Gesprächen mit Fahrgäste vorstellen. Dabei sein wollen auch Kaczmarek und Buchner und weitere Anregungen aufnehmen.

KEINE DURCHFAHRT

Abgesagt hat die S-Bahn, wie berichtet, ihren Plan, zum Abbau von Verspätungen auf dem Ring die Züge auf zwei Bahnhöfen ohne Halt durchfahren zu lassen. Bei etwa 3000 Fahrten am Tag wäre dies nach Kaczmareks Angaben etwa drei Mal vorgekommen. Sein Fazit nach der heftig geäußerten Kritik an diesem Plan: „In Berlin darf man die Innovationsfreude wohl nicht überschätzen.“

NICHT GANZ SCHLECHT

Bei allem Verbesserungsbedarf sei die S-Bahn aber nicht so schlecht wie oft dargestellt, sagte Buchner. Sie sei – zusammen mit Hamburg – pünktlicher als die S-Bahnen in München, Frankfurt, Stuttgart oder Köln, die sich ihre Gleise mit anderen Bahnen teilen müssen.

Im ersten Halbjahr 2018 lag die Pünktlichkeitsquote nach Buchners Angaben in Berlin bei 94,5 Prozent. In den vergangenen zehn Tagen habe man sogar 97 Prozent bis 98 Prozent geschafft. Gefordert sind 96 Prozent. Pünktlich ist nach der Definition ein Zug, wenn es sich nicht um mehr als 3.59 Minuten verspätet.

Und die Fahrgäste scheinen insgesamt zufrieden zu sein. Sie gaben der S-Bahn zuletzt die Schulnote 2,51, während sie in den großen Krisenzeiten unter dem Sollwert von 2,6 lag und deshalb Zuschüsse gestrichen bekam.

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