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Die Sauna ist ein wunderbarer Ort - und der letzte durch und durch kommunikationsfeindliche. Eigentlich.

© dpa

Quatschen in der Sauna: Schwitzt gefälligst schweigend!

Die Sauna ist der letzte Ort in dieser lauten Großstadtgesellschaft, an dem man einfach mal die Klappe halten kann. Nur Mut! Ein Wutausbruch.

Wir müssen reden. Also ich meine: jeden Tag. Pausenlos. Mit den Kollegen, Chefs, Freunden, Familie. Wildfremden. Mit der Frau von der Telekom, die ein wirklich tolles Angebot hat. Derzeit bin ich ansprechbar auf sechs verschiedenen Messenger-Diensten – selber schuld, meinetwegen. Doch es gibt einen wunderbaren Ort, an dem Kommunikation nicht sein muss. Ich finde: nicht sein darf. Und auch über den müssen wir reden. Denn jetzt geht es wieder los. Es wird kalt, ab in die Sauna.

Gewinnbringender Gedankenaustausch ist bei 90 Grad nicht zu erwarten

Die Sauna ist vor allem deshalb so wunderbar, weil sie – ohne dass es ihr primärer Zweck wäre – durch und durch kommunikationsfeindlich angelegt ist. Technische Gerätschaften wie Smartphones und iPads halten der Luftfeuchtigkeit nicht stand.

Die Hemmschwelle, Fremde anzusprechen ist höher als, sagen wir mal, in einer Situation, in der alle bekleidet sind. Und die Temperatur ist so gewählt, dass ein gewinnbringender Gedankenaustausch nicht zu erwarten ist, weil der einzige Gedanke, den man nach einigen Minuten in einer Sauna noch fassen kann, lautet: Es ist so heiß. Und es gibt wirklich keinen Grund, das gegenüber anderen zu thematisieren.

Manche Menschen können Stille psychologisch nicht aushalten

Leider scheint das nicht allen klar zu sein. Leider muss für alle Gelegenheitssaunagänger auch das nochmal ausgesprochen werden: Schwitzt verdammt nochmal schweigend.

Es gibt da die verschiedenen Typen. Allen voran natürlich die pathologischen Quatscher. Menschen, die Stille psychologisch nicht aushalten können, weil es sie an die Leere in ihrem Leben erinnert oder weil sie unsicher werden, ob sie überhaupt noch existieren, wenn sie ihre eigene Stimme nicht hören. Die Art Mensch, die auch an Supermarktkassen oder Bushaltestellen im Zweifel eben laut mit sich selbst spricht und Sätze sagt wie: Mann, Mann, Mann das dauert aber wieder.

Gibt es da nicht auch Ausnahmen?

Da hilft nur: Augenkontakt vermeiden, Flucht. Sie können nicht anders.

Doch es gibt auch die, die schlicht kein Gefühl dafür haben, wie sehr sie stören. Für die ist dieser Text.

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Es gibt gefühlte Grauzonen, habe ich mir sagen lassen. Was zum Beispiel, wenn man zunächst mit einem guten Freund, einer guten Freundin allein in der Sauna ist, ins Gespräch vertieft – und eine dritte Person dazu kommt?

Oder was, wenn man flüstert?

Oder wie ist das, wenn man nur wirklich ganz kurz noch was Wichtiges …

Nein. Nein. Nein.

Über andere Störer ließe sich hinwegsehen

Es ist eine Frage des Respekts. Gegenüber dem vielleicht letzten Ort dieser durch und durch lauten, streitenden Großstadtgesellschaft, der es uns überhaupt noch ermöglicht, einfach mal die Klappe zu halten und nichts zu denken.

Lasst euch diese Möglichkeit nicht entgehen. Nehmt sie vor allem anderen nicht. Es ist nicht schwer.

Dafür bin ich bereit, über andere Typen von Störern in der Sauna hinwegzusehen. Wie die, die erst wissen, dass sie schwitzen, wenn sie sich mit der flachen Hand auf die Wampe schlagen, dass es spritzt. Oder den unvermeidlichen Aufguss-Idioten, der in Eigenregie Wasser auf die Steine kippt, weil er meint, auf ihn habe die Welt gewartet. Die Gaffer, denen das Angebot im Internet offenbar nicht groß genug ist … Alle, über die auch noch zu reden wäre. Aber nicht in der Sauna.

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