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Zwei Ampelfrauen halten Händchen.

© TSP

Diskriminierung in Berlin: Zwei Freundinnen dürfen Grundstück nicht pachten

Frauen? Vielleicht sogar lesbisch? Zwei Berlinerinnen wollten ein Ferienhaus in Treptow-Köpenick erwerben - doch die Verpächterin verwehrte ihnen das Grundstück. Die Geschichte einer doppelten Diskriminierung.

Die Aussicht aufs Wasser: wunderschön. Das Häuschen am Hang: romantisch. Carolin K. und ihre Freundin waren begeistert von der Chance, dort künftig ihre freien Wochenenden verbringen zu können. Freunde hatten ihnen den Tipp gegeben, dass an der Großen Krampe am Rande von Treptow-Köpenick ein kleines Ferienhaus zu verkaufen sei.

Mit den Hauseigentümern waren sie rasch handelseinig. Sie mussten nur noch die Verpächterin des Grundstücks für sich gewinnen. „Aber dort stießen wir auf Ablehnung“, erzählt Carolin K.. Der Grund: Man habe ihnen vorgehalten, sie seien ein lesbisches Paar und daher unerwünscht.

Die Große Krampe zieht sich wie ein schmaler Fjord von der Dahme in den Köpenicker Forst hinein. Sie ist ein beliebtes Wassersportrevier, das von den Eigentümern der Ferienanlage offensiv beworben wird. Man kann dort Domizile mieten oder erwerben, muss aber den Grund pachten, auf dem sie stehen.

Im Falle von Carolin K. und ihrer Freundin war der Kauf schon mündlich abgemacht. Dann aber erhielten die beiden laut Carolin K. einen Anruf von den Verkäufern, die Verpächterin lehne sie ab. Sie vermute, die beiden seien ein lesbisches Paar.

Verpächterin: Sorge um die Sanierung

Das wollten die beiden Frauen nicht hinnehmen. Sie riefen also selbst die Verpächterin an. „Die Frau fragte uns, ob wir lesbisch seien und erklärte, sie selbst habe ja nichts gegen Homosexuelle. Aber sie müsse Rücksicht nehmen auf ihre langjährigen, älteren Pächter und Mieter. Viele von ihnen wollten keine Schwulen oder Lesben als Nachbarn haben.

Die Verpächterin streitet dies ab. Im Gespräch sei es damals „nur um den desolaten Zustand des Hauses gegangen“. Sie habe abgelehnt aus Sorge, „dass die zwei Mädels die nötige Sanierung handwerklich nicht gestemmt hätten“.

Tatsächlich sind Carolin K. und ihre Freundin gar kein lesbisches Paar. Der Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg (LSV), Jörg Steinert, stellt deshalb lakonisch fest, dieser Fall zeige, dass Homophobie sogar Heterosexuelle treffen könne. Im Übrigen seien Recht und Gesetz aufseiten der beiden Freundinnen. Wenn sich alles gemäß ihrer Schilderung zugetragen habe, verstoße die Verpächterin gegen das „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz“ (AGG), auch Antidiskriminierungsgesetz genannt.

Vor Gericht ziehen oder nicht?

Das 2006 verabschiedete Bundesgesetz besagt, dass kein Mensch aufgrund seiner Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt werden darf. Dieser Rechtsanspruch gilt nicht nur gegenüber Arbeitgebern, sondern auch bei Geschäften und Verhandlungen mit Privatpersonen. „Dieser Schutz hat Vorrang vor der privaten unternehmerischen Freiheit und Autonomie“, sagt Jörg Steinert.

Eine Klagewelle sei – entgegen damaliger Befürchtungen von Unternehmern und konservativen Politikern – nach der Verabschiedung des Gesetzes nicht auf die Gerichte zugekommen. Fälle wie an der Großen Krampe seien selten, sagt Jörg Steinert. „Wir kennen viele homosexuelle Paare, die problemlos zu zweit oder mit Kindern Ferienhäuser nutzen.“ Streit gebe es eher wegen Alltagskonflikten. Immer wieder würden etwa gleichgeschlechtliche Paare mit ihren Pflege- oder Adoptivkindern im Schwimmbad keine Familienkarte bekommen – weil sie „ja gar keine Familie“ seien. Das seien dann Fehler eines „schlecht informierten“ Kassenpersonals, sagt Steinert. „Offiziell machen die Berliner Bäderbetriebe da keinen Unterschied.“

Und wie wollen sich Carolin K. und ihre Freundin nun an der Großen Krampe verhalten? „Wir reichen keine Klage ein“, sagen die beiden. „Wir würden uns in dem Haus ohnehin nicht mehr wohlfühlen.“

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