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Erinnern und mahnen. Seit 2008 gibt es westlich der Ebertstraße, am Rande des Tiergartens, das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Es wurde von dem dänisch-norwegischen Künstlerduo Elmgreen und Dragset entworfen. Hinter einem Sichtfenster läuft ein Video mit sich küssenden gleichgeschlechtlichen Paaren.

© Mike Wolff

Homosexualität unterm Hakenkreuz: Mord auf Befehl

Am 24. April 1945 wurden in Spandau vier der Homosexualität beschuldigte Polizisten erschossen. Eine Tafel erinnert an die hingerichteten Männer, derer dort heute gedacht wird.

Drei der vier Delinquenten lagen bereits leblos in der eigens ausgehobenen Grube, nur einen hatte die ihm zugedachte Kugel nicht sofort getötet, wie der bei der Hinrichtung anwesende Arzt, ein Dr. Ross, feststellte. Und so musste der Polizeiwachtmeister, der die Ausführung des Mordbefehls freiwillig übernommen hatte, hinunterklettern und die letzte, tödliche Kugel abfeuern.

Es war der Abend des 24. April 1945. Die sowjetischen Truppen waren bereits tief ins Berliner Stadtgebiet eingedrungen, standen im Nordwesten an der Jungfernheide, kämpften in Siemensstadt. Das „Dritte Reich“ war am Ende, aber in Spandau, auf einem Polizeigelände an der Pionierstraße, nahe dem Friedhof In den Kisseln, wurde mit letzter irrsinniger Konsequenz der aus dem November 1941 stammende „Erlass des Führers zur Reinhaltung von SS und Polizei“ befolgt: Ein Angehöriger dieser Verbände, „der mit einem anderen Manne Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen lässt“, sei mit dem Tode zu bestrafen.

Eine Gedenktafel erinnert an die vier Toten

Die vier angeblich homosexuellen Beamten – nur einer war verurteilt, die anderen drei waren noch nicht mal vernommen worden – waren wenige Tage zuvor in die Polizeiarrestanstalt in der Spandauer Moritzstraße 10 verlegt worden. Heute befindet sich dort der Polizeiabschnitt 21, an dessen Dienstgebäude 2011 von Ehrhart Körting und Dieter Glietsch, dem damaligen Innensenator und seinem Polizeipräsidenten, eine Gedenktafel enthüllt worden war. Sie erinnert an die vier ermordeten Polizeibeamten Otto Jordan, Reinhold Höpfner, Willi Jenoch und Bautz, dessen Vorname nicht bekannt ist. Die Schwusos Spandau werden an diesem Dienstag um 17 Uhr in der Moritzstraße Blumen niederlegen und laden dazu ein, mit ihnen der erschossenen Männer zu gedenken.

Der Verein Kulturring in Berlin hatte deren Geschichte und die anderer homosexueller Opfer des NS-Regimes in Spandau erforscht und anlässlich der Gedenktafelenthüllung in einer Ausstellung im Rathaus des Bezirks dargestellt.

Tödlicher Befehl aus der Reinhardtstraße

Schlüsselfigur der Bluttat in der Pionierstraße war demnach der Polizeimeister Alfred Wandelt, der Leiter der Arrestanstalt in der Moritzstraße. Mitte April hatte er auf Anweisung des Kommandos der Schutzpolizei in der Karlstraße, der heutigen Reinhardtstraße in Mitte, alle Häftlinge zwecks Frontbewährung entlassen. Auch die Neuzugänge vom 21. April, Männer, die wegen Fahnenflucht, Wehrkraftzersetzung oder Diebstahl von Lebensmittelkarten hingerichtet werden sollten, waren sofort freizulassen, um bei der Verteidigung Berlins mitzuwirken. Nur die vier der Homosexualität beschuldigten Polizisten blieben davon ausgenommen. Schließlich gab es den Hitler-Erlass von 1941, nach dem „SS und Polizei von gleichgeschlechtlich veranlagten Schädlingen reinzuhalten“ seien. Und der Vorgesetzte Wandelts in der Karlstraße, ein Major Adolph, verlangte von diesem am Nachmittag des 24. April ausdrücklich, dass die vier Männer hinzurichten seien.

Ein Geheimerlass Adolf Hitlers

Es scheinen bei Wandelt und zwei anderen in den Vorgang involvierten Polizeioffizieren dennoch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Hinrichtung, für die es in drei Fällen nicht mal ein Urteil gab, aufgekommen zu sein. Adolph, so die Rechercheergebnisse des Kulturrings, machte jedoch geltend, nach einem Geheimerlass Hitlers liege die Gewalt der Rechtsprechung und des Vollzugs nun beim Gerichtsherren, eine Verhandlung vor dem Polizeigericht sei deshalb überflüssig.

Der Berliner Historiker Andreas Pretzel dagegen schreibt in dem Sammelband „Homosexualität und Staatsraison. Männlichkeit, Homophobie und Politik in Deutschland 1900 – 1945“ (Frankfurt am Main 2005), der Vollstrecker, also Wandelt, habe sich „auf Himmlers Geheimbefehl zur Tötung Homosexueller in Polizeiverbänden“ berufen. Der Reichsführer SS und oberste Polizeiführer hatte bereits 1938 geäußert, er könne sich „vorstellen, dass ein Homosexueller in der SS in einigen Jahren schon mit dem Tode bestraft wird“. Schwule müssten „entfernt werden, wie wir Brennnesseln ausziehen, auf einen Haufen werfen und verbrennen“.

Polizeimeister Alfred Wandelt gab schließlich nach, stellte ein Kommando zusammen, das die Grube in der Pionierstraße aushob, fand auch einen freiwilligen Todesschützen, der seine Aufgabe durch Genickschuss erledigte.

Keine Entschädigung für die Witwe

Das Spandauer Sammelgrab der vier Exekutierten wurde nie gefunden, Anträge der Witwe des Polizeimeisters Otto Jordan auf Anerkennung als NS-Opfer und Entschädigung wurden abschlägig beschieden. Der ehemalige Polizeimeister Alfred Wandelt wurde am 29. April 1948 vom Landgericht Berlin wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit zehn Jahren Zuchthaus bestraft, ein Urteil, das das Kammergericht am 25. Oktober desselben Jahres bestätigte.

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