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Pfarrer Carsten Bolz kämpft für die Anerkennung von sexueller Vielfalt in der evangelischen Kirche.

© Ekbo

Kirche und Homosexualität: Halleluja für den Christopher Street Day

Kirche und queer: Geht das zusammen? Ja, sagt der evangelische Pfarrer Carsten Bolz und lädt zum CSD-Gottesdienst in die Gedächtniskirche.

Warum gibt es Gottesdienste speziell zum Christopher Street Day?

Die ökumenische „Arbeitsgemeinschaft Homosexuelle und Kirche“ feiert schon seit über 30 Jahren am Vorabend des CSD Gottesdienste, weil es Christen gibt, denen es ein Anliegen ist, am Vorabend eines solchen Festes zu einem Gottesdienst zu gehen.

Wer sind diese Menschen?

In die Gedächtniskirche kommen meist so 200 Leute, darunter viele Schwule und Lesben. Ihnen ist es wichtig, sich im Gebet, im Gottesdienst zu vergewissern, dass Gott sie auf ihrem Weg begleitet – eben auch beim Christopher Street Day. Und wir als Kirche wollen signalisieren: Alle Menschen sind zu diesem Gottesdienst und zum Abendmahl eingeladen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.

Diese Gottesdienste finden immer in evangelischen Kirchen statt, obwohl es eine gemeinsame katholisch-evangelische Initiative ist. Warum?

Bisher stand uns dafür noch nie eine katholische Kirche zur Verfügung. Die Haltung der katholischen Kirche unterscheidet sich da sehr von der evangelischen Kirche.

Die katholische Kirche spendet homosexuellen Paaren auch keinen Segen.

Aber auch in der katholischen Kirche gibt es viel Bewegung. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, die Vertretung der Laien, hat sich gerade vehement für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ausgesprochen – und sich damit viel Ärger mit dem Klerus eingehandelt. Der Dissens geht ja aber auch quer durch die lutherischen Kirchen. Viele evangelische Christen im Süden, etwa in Afrika, verstehen uns im Norden überhaupt nicht.

Gott ist für die Vielfalt. So hat er sie in der Schöpfung angelegt

Was werden Sie predigen?

Ich werde über Sätze aus dem Schöpfungsbericht aus dem 1. Buch Mose sprechen und deutlich machen, dass in der Schöpfung ganz unterschiedliche Gaben und Möglichkeiten angelegt sind. Dazu gehören auch die unterschiedlichen sexuellen Orientierungen.

Diese Texte wurden vor tausenden Jahren geschrieben. Glauben Sie, dass die Verfasser damals schon an Schwule und Lesben gedacht haben?

Sicherlich nicht. Diese Frage stellte sich damals ja gar nicht. Die Verfasser wollten zum Ausdruck bringen, dass all das, was wir in der Welt vorfinden, mit Gott zu tun hat und nicht zufällig entstanden ist oder aus einer Welt der Dämonen stammt.

Ist es dann legitim, aus diesen Texten ein Ja zur Homosexualität bis hin zum Ja zur Homo-Ehe abzuleiten?

Es ist unsere Aufgabe als Theologen, herauszufinden, was diese alten Texte uns heute noch sagen können. Meiner Ansicht nach wollen sie uns vermitteln, dass in allen Menschen Gott vorhanden ist. Das gilt natürlich auch für homo- und transsexuelle Menschen. Aber natürlich kann man nicht alle Fragen, die wir uns heute stellen, aus der Bibel heraus beantworten.

Die Synode der evangelischen Landeskirche EKBO hat vor einigen Wochen beschlossen, Segnungen homosexueller Paare mit der Trauung von Hetero-Paaren gleichzustellen. Wie reagieren die Gemeindemitglieder?

Ich habe bisher vor allem Reaktionen aus Charlottenburg und Wilmersdorf gehört. Die waren positiv. Das ist aber auch nicht verwunderlich, denn dieser Kirchenkreis hat die Debatte in der Landeskirche vor 15 Jahren angestoßen und bei der Synode kürzlich den entsprechenden Antrag eingebracht.

Gott wollte keine homosexuelle Praxis, sagen andere Theologen

Ein Pfarrer aus Steglitz schrieb in einem Leserbrief am Sonntag im Tagesspiegel, dass „homosexuelle Praxis etwas ist, was Gott nicht will“. Die Bibelstellen seien da eindeutig und die Kirche dürfe Gottes Wort nicht verwerfen. Was antworten Sie ihm?

Wir müssen miteinander über unser Bibelverständnis sprechen. Für mich ist klar, dass Bibeltexte zeitgebundene Texte sind und dass man sie nicht wörtlich nehmen und auch nicht eins zu eins als Handlungsanleitungen für heute lesen kann. Wir müssen sie neu für unsere Zeit interpretieren. In der Bibel sind ein anderes Verständnis von Ehe und Familie und ein anderes Rollenbild von Männern und Frauen angelegt. Würde man das alles eins zu eins auf heute übertragen, dürfte man zum Beispiel auch keine Pfarrerinnen ordinieren.

Auf dem Kirchentag in Stuttgart Anfang Juni spielte die Homo-Ehe auch eine Rolle. Debatten gab es aber keine. Vielmehr standen die unterschiedlichen Haltungen unvermittelt nebeneinander.

Das ist schon seit Jahren die große Schwierigkeit, dass die Standpunkte scheinbar unvermittelbar sind. Vielleicht helfen da auch theoretische Diskussionen nicht so viel weiter. Oft ist es der konkrete Kontakt mit anders geschlechtlichen Menschen, wodurch sich  Standpunkte verändern.

Ich habe den Eindruck, es gibt von Jahr zu Jahr mehr Gottesdienste zum Christopher Street Day. Es gibt auch mehrere jüdische Angebote. Wie kommt’s?

Das liegt an einer gewachsenen größeren Offenheit in der evangelischen Kirche. In immer mehr Gemeinden sagen jetzt Mitglieder, wir wollen auch hier einen solchen Gottesdienst feiern.

Ist das ein städtisches Phänomen? Gibt’s auch in Brandenburg CSD-Gottesdienste?

Auf den Brandenburger Dörfern eher nicht. Aber in der Stadt leben halt auch einfach mehr Schwule und Lesben.

Carsten Bolz ist Superintendent von Charlottenburg und Wilmersdorf und lädt zum CSD-Gottesdienst in die Gedächtniskirche: Freitag, 26. Juni, 20 Uhr, Breitscheidplatz. Auch in St. Marien am Alexanderplatz gibt es einen CSD-Gottesdienst, zusammen mit dem jüdischen Abraham-Geiger-Kolleg und dem LSVD, 26. Juni, 18 Uhr. Einen jüdischen Schabbatgottesdienst zum CSD feiert die Gruppierung "LSD" in der Synagoge in der Oranienburger Straße, 26. Juni, 20 Uhr.

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