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Der Strand von Tel Aviv zeigt sich von seiner queerfreundlichen Seite.

© privat

Lesbenreisen: Anders unterwegs

Vom L-Beach bis zum Girlie Circuit: Die queere Zielgruppe haben Reiseveranstalter schon seit einer Weile entdeckt. Wie reisen Lesben und welche Angebote sind beliebt? Ein kleiner Ferien-Überblick.

Es ist Ferienzeit und viele sind auf Achse. Ob Wanderurlaub, Strandurlaub, Aktivurlaub, Ferien auf dem Bauernhof, Rucksackreisen durch Thailand, Roadtrips durch die USA  - die Möglichkeiten für westeuropäische Urlauberinnen und Urlauber scheinen unendlich. Und die LGBTIQ-Community? Die reist natürlich ganz anders. Jedenfalls kann man das angesichts der zunehmenden Zahl spezieller „Gay-and-Lesbian-Travel“-Angebote vermuten. Reisanbieter haben Lesben und Schwule längst als Zielgruppe ausgemacht. Die Veranstalter der Internationalen Tourismus Börse (ITB) in Berlin zogen in diesem Frühjahr eine zufriedene Bilanz: „Gay and Lesbian Travel: Boomendes Segment“ hieß es in  einer Pressemitteilung. 2005 gab es auf der Messe erstmals einen kleinen Gemeinschaftsstand einzelner Anbieter unter der Regenbogenfahne, 2010 wurde das eigenständige Segment „Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Tourism“ gegründet.

Die Sparte gilt als "business-trächtig"

Inzwischen hat LGBT Tourismus einen eigenen Pavillon an zentraler Stelle und ist ein Themenschwerpunkt beim Kongress, der die Messe begleitet. Man sei aus der Nische herausgekommen und habe „mit Vorurteilen aufräumen“ und wachsen können, resümiert Rika Jean-François, die Corporate Social Responsibility-Beauftragte der ITB und verantwortlich für das LGBT-Segment. Inzwischen sei die Sparte als „business-trächtiges Segment“ anerkannt. Jean-François, die auch zum Vorstand der International Gay and Lesbian Travel Association (IGLTA) ist,  sieht eine Verbindung aus Marktinteressen und gesellschaftlichem Einfluss: Gerade indem man „ökonomische Vorteile preist“, würden auch Länder angesprochen, in denen Lesben, Schwule und Trans-Menschen noch diskriminiert oder verfolgt werden.

Gerade in ökonomischer Hinsicht zeigen sich jedoch innerhalb des Sektors große Unterschiede: Transsexuelle und trangender Reisende spielen als eigenständige Zielgruppe nahezu keine Rolle und Lesben eine deutlich kleinere als Schwule. Letztlich bestimmt der Markt, was angeboten wird, und da zeigen sich – wie in der heterosexuellen Welt – große Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Schwule besitzen einen erheblich größeren Marktanteil gegenüber den lesbischen Kundinnen. Frau verdient nun einmal weniger. Der logische Schluss: In gleichgeschlechtlichen Beziehungen fällt dieser Unterschied doppelt ins Gewicht, denn zwei berufstätige Männer bedeuten im Durchschnitt zweimal höheres Einkommen. Zwei Frauen dagegen – nun ja.

Von L-Beach bis zum Girlie Circuit: Beliebt sind Lesbenfestivals

Doch auch ein anderer Aspekt fällt ins Gewicht: Schwule seien noch immer „sichtbarer und extrovertierter“ als Lesben, so Jean-François. Doch gerade hier zeichnet sich allmählich ein Wandel ab. Alte Klischees, wonach Schwule vor allem rauschende Partys und schnellen Sex, Lesben dagegen eher Natur, Erholung und intellektuell-esoterischen Austausch suchten, lösen sich zunehmend auf.

Gerade bei jüngeren Frauen beobachten Reiseveranstalter ein gesteigertes Interesse am Party-Urlaub. Lesbenfestivals gewinnen an Attraktivität, an der Ostsee gibt es etwa das L-Beach-Festival, auf Lesbos lockt das Sappho-Festival und in der Nähe von Barcelona das Girlie Circuit Festival. Das heute mit weit mehr als 10000 Teilnehmerinnen größte Lesbenfestival der Welt gibt es bereits seit 1991, bis 2011 im kalifornischen Palm Springs, heute in Las Vegas: Beim Club Skirts Dinah Shore Weekend (kurz: ‚The Dinah’) wird fünf Tage lang eine Art Riesen-Poolparty mit gigantischem Veranstaltungsprogramm gefeiert. Die beiden Organisatorinnen Robin Gans und Sandy Sachs, Gründerinnen der legendären Girl Bar in Los Angeles, sind in Deutschland spätestens seit der auch hier erfolgreichen US-Serie „The L-Word“ bekannt, in der sie, wenn auch nicht gerade als Sympathieträgerinnen, doch als High- und Party-Society-Kultfiguren verewigt wurden.

Lesben sind anspruchsvoll und skeptisch bei der Reiseauswahl

Der Strand von Tel Aviv zeigt sich von seiner queerfreundlichen Seite.
Der Strand von Tel Aviv zeigt sich von seiner queerfreundlichen Seite.

© privat

Und auch in den USA bemüht man sich inzwischen verstärkt um die Besucherinnen aus Europa, weiß Betti Keese. Die Berlinerin ist nicht nur Gründerin und Inhaberin der Reiseagentur Go Beyond mit Schwerpunkt auf Reisen für Lesben, sondern seit Mai dieses Jahres deutsche Botschafterin der IGLTA, die Unterkünfte, Dienstleister, Reiseagenturen, Reiseveranstalter und Reisemedien in insgesamt 80 Ländern zu ihren Mitgliedern zählt. Sie ist die erste die Frau in dieser Funktion, was sie nicht überbewertet will. Gleichzeitig betont sie aber das Bemühen um „mehr lesbische Sichtbarkeit, da Frauen immer noch die deutliche Minderheit in der IGLTA sind.“

Sicherheit ist besonders wichtig

Während Keese als Reiseanbieterin die lesbischen Kundinnen „wesentlich anspruchsvoller und skeptisch“ und „generell eher sparsamer als Schwule“ erlebt – und damit doch wieder so manches Klischee bestätigt –, will sie das auch nicht zu stark verallgemeinern. Eine globale Marktstudie, die diese Kundengruppe umfassend abbildet, gibt es bisher nicht. Offensichtlich scheint aber, dass Frauen bei ihren Reiseplanungen eine stärker um die eigene Sicherheit besorgt. So wirbt Keeses Agentur ähnlich wie andere auf Frauenreisen spezialisierte Anbieter auf ihrer Website: „Wir achten besonders auf Deine Sicherheit und wählen nur Unterkünfte aus, von denen wir wissen, dass sie absolut gay-friendly sind und in guten Gegenden liegen.“

Es reicht nicht, nur einen Regenbogenaufkleber an die Tür zu pappen

Apropos: Was macht eine Unterkunft eigentlich „gay-friendly“? Ein allgemein verbindliches Zertifizierungssystem gibt es nicht. Die Regenbogenfahne kann sich jeder an die Café- oder Hoteltür kleben. Letztlich müssen Kunden und Kundinnen auf die Aussagen der Unterkünfte und Reiseanbieter vertrauen. Natürlich gebe es immer wieder Anbieter, so Keese, die lediglich den kommerziellen Mehrwert suchten, statt tatsächlich an der Zielgruppe interessiert zu sein – „pink-washing“ sozusagen.

Aber ist damit nun beantwortet, was den lesbischen oder schwulen Urlaub ausmacht? Mitnichten. Auch Schwule, Lesben und Transsexuelle mögen Strand und Meer, Berge und Seen, Wandern und Surfen – oder eben auch nicht, manchmal Party, manchmal Ruhe.

Dennoch: Die offensichtlich bestehende Nachfrage nach speziellen Angeboten für die LGBT-Zielgruppe verweist einmal mehr darauf, wie weit wir von vollkommener Akzeptanz und gesellschaftlicher Normalität entfernt sind. Lieber sichern sich viele über den Reiseveranstalter ab, wie willkommen sie als homosexuelle Menschen am Ferienort sind – und das gilt eben nicht nur für Länder und Regionen, in denen Homosexualität strafrechtlich verfolgt wird.

Überflüssig wird die Sparte lange nicht werden

Es wird wohl noch eine ganze Weile dauern, bis diese noch recht junge Reisesparte wieder verschwindet, da sie überflüssig wird. Es wird dauern, bis es keine Regenbogenfahnen an Hotel- und Restauranteingängen zur Demonstration der Homo-Freundlichkeit mehr braucht, da sie selbstverständlich ist. Solange auch hierzulande so  hitzig und kontrovers über die Ehe für alle diskutieren, gibt es noch viel zu tun.  Aber vielleicht verschieben wir das auf den Herbst? Zu erst einmal: einen schönen Sommerurlaub – ob nun mit oder ohne Regenbogen.

Mehr LGBTI-Themen erscheinen auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per E-Mail an: queer@tagesspiegel.de. Unter dem Hashtag #Queerspiegel können Sie twittern, zum Feed geht es hier.

Sabrina Wagner

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