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Ashkan Sepahvand, Kaey, Diana McCarty und Gudrun Perko.

© Nadine Lange

Panel "Wer ist queer?": Füreinander aufstehen

Beim Festival "Pugs in Love" im Gorki Theater Berlin diskutierten Ashkan Sepahvand, Kaey, Diana McCarty und Gudrun Perko die Frage, wer queer ist, und was das politisch bedeutet.

Begriffe zurückerobern, Beleidigungen umdeuten - das ist eine klassische Abwehrtaktik von Minderheiten. Besonders gut funktioniert hat das mit der einst vor allem als Beleidigung verwendeten Bezeichnung queer, die inzwischen völlig von negativen Konnotationen befreit wurde. Oft als Ersatz für die tendenziell immer länger werdende LGBTQI*-Buchstabenkette benutzt, ist "queer" inzwischen so inklusiv und beliebt, dass in den USA bereits Stimmen laut werden, denen die Ausweitung in so genannte heteroflexible Kreise zu weit geht.

Wer ist also queer? Dieser Frage ging eine Diskussionsrunde im Maxim Gorki Theater nach, die im Rahmen des bis Sonntag laufenden Festivals "Pugs in Love - Queer Weekend" stattfand. Moderiert von Diana McCarty zeigen bereits die Eröffnungsstatements, dass in der Runde ein relativ weites Verständnis des Begriffs vorherrscht. Ganz besonders gilt das für die Philosophin und Mediatorin Gudrun Perko, die an der Fachhochschule Potsdam lehrt. "Ich kann nicht sagen, wer queer ist, denn es geht darum, dass Menschen sich selber bezeichnen." Für sie seien keine Identitätsmerkmale nötig, um sich für die Rechte von jemandem einzusetzen. Ihre Perspektive sei "radikale Pluralität und weniger Abschottung".

Queer als Querstehen und Gegen-den-Strich-Gehen

Für den Autor, Künstler und Forscher Ashkan Sepahvand, derzeit Fellow am Schwulen* Museum Berlin, ist "queer" weniger eine Identität als eine Lebensform. Er weist auf die Nähe des Begriffs zum Wort quer hin. "Es beleuchtet die Bewegung, die in queer enthalten ist: nicht gerade, sondern diagonal, gegen den Strich." Damit kann sich der 1984 in Teheran geborene Sepahvand identifizieren. Ansonsten würde er, der als Person of Colour ohnehin schon einer Minderheit angehöre und deshalb viele Diskussionen aufgedrängt bekomme, diesen Aspekt seiner Persönlichkeit auch gerne mal für sich behalten. "Eben mal nicht sagen, wer ich bin."

Gudrun Perko kann diese Ablehnung des Bekenntniszwangs gut nachvollziehen, doch die dritte Diskutantin Kaey, Redakteurin des queeren Stadtmagazins "Siegessäule", sieht das ein bisschen anders. "Die Voraussetzung dafür wäre ja, dass man sich unsichtbar machen könnte. Da weiß ich nicht, wie mir als Trans-Frau das möglich sein sollte." Dafür fehlten ihr doch einige Privilegien.

Der Begriff wird verwaschen statt geschärft

Dies ist einer der kurzen Momente dieser relativ erkenntnisarmen Veranstaltung, in denen einmal klar wird, dass es vielleicht doch Unterschiede gibt, die eine Rolle spielen im großen Queerspektrum. Statt hier weiter zu machen und sich um eine Begriffsschärfung zu bemühen, geht es weiter in Richtung Nivellierung. Auf die Frage aus dem Publikum, ob denn auch eine Person ohne queere Erfahrung sich queer nennen könnte, antwortet Gudrun Perko, dass sie gar nicht wisse, was eine queere Erfahrung sein solle.

Eine erstaunliche Aussage. Als gäbe es für lesbische, schwule und bisexuelle Menschen, Trans- und Intersexuelle kein Coming Out, keine damit verbundene Irritation, keine Marginalisierung und Diskriminierung und auch keinen speziellen Stolz - alles Dinge, die heterosexuelle Cis-Personen einfach nicht erleben.

Ebenfalls keine Hierachien des Queerseins aufbauen möchte Kaey. "Auch eine Cis-hetero-Person kann ja zum Beispiel in einer nicht-heteronormativen Beziehung leben." Dass sie als Beispiel dafür ausgerechnet einen Mann mit zwei Geliebten anführt - ein heteronormativer Klassiker - verwirrt allerdings ein wenig. Nachvollziehbarer ist ihre Forderung, dass sich jemand mit einem unkonventionellen Beziehungsmodell sichtbar machen solle. Und auch für sie als Trans-Frau aufstehen möge.

Machtstrukturen hinterfragen

Der Gedanke des Füreinander-Einstehens, des Bündnisse-Bildens wird von allen auf dem Podium geteilt und mehrmals wiederholt. Ashkan Sepahvand betont, dass queer mehr bedeute als ein bisschen Buntheit. Es gehe darum Machtstrukturen zu hinterfragen. Gudrun Perko fügt aus ihrer Universitätserfahrung an: "Institutionen wollen keine Diversität. Um so wichtiger ist es, sich untereinander zu verbünden." Es nicht zu tun, stütze die bestehenden Verhältnisse.

Solidarität und Austausch sind zentral, um etwas zu verändern. Verbündete außerhalb der Community können dabei helfen. Denn natürlich kann man queer handeln, ohne queer zu sein. Und vielleicht kann dieser kleine Unterschied dann ja doch einfach mal stehen bleiben - denn "Queersein" ist mehr als eine hippe Modenummer, bei der man mal für einen regenbogenfarbenen Sommer vorbeischauen kann.

Das Programm von "Pugs in Love - Queer Weekend" und weitere Infos finden sich hier.

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