zum Hauptinhalt
Der Kreuzberger CSD - im vergangenen Jahr.

© Nadine Lange/Tagesspiegel

Queer weiß das (26): Gibt es eine Homo-Lobby?

Die Kolumne im Queerspiegel: Heteros fragen, Homos antworten. Heute geht es um vermeintliche lesbischschwule "Seilschaften".

Neulich war zu lesen, dass es im Vatikan so etwas wie eine „schwule Seilschaft“ gab, die Papst Benedikt XVI. dann aufgelöst habe. Man hört auch immer wieder von einer „Homo-Lobby“, die sehr gut organisiert sein soll und die Gesellschaft umerziehen will. Seid ihr etwa eine Geheimorganisation, die die Weltherrschaft anstrebt? - Jo, Neukölln

Mist, jetzt habt ihr uns enttarnt! Es stimmt: Wir arbeiten in unseren regenbogenfarbenen Geheimzirkeln schon seit Jahrhunderten an der Lesbisierung und Verschwulung der Welt. Leider stockt das gerade ein bisschen, vor allem in Osteuropa und Südamerika.

Okay, jetzt mal im Ernst: Uns ist auch schon aufgefallen, dass schnell von „Seilschaften“ oder einer „Lobby“ die Rede ist, wenn sich Homos zusammentun, um für ihre Rechte einzutreten. Meist schwingt dabei der Verdacht mit, es seien verschwörerische Mächte am Werk, die heimlich eine zweifelhafte Agenda durchdrücken wollen. Vielleicht rührt diese Unterstellung aus Zeiten, als homosexuelle Menschen sich aufgrund gesellschaftlicher und juristischer Diskrimierung tatsächlich noch klandestin in Hinterzimmerzirkeln trafen.

Geschenkt wird Lesben und Schwulen leider nichts

Das ist zum Glück lange vorbei, inzwischen gibt es zahlreiche Aktivist*innen, Politiker*innen und Vereine, die sich offen für LGBT-Belange einsetzen. Die eingetragene Partnerschaft wäre ohne solchen Druck niemals realisiert worden, und queere Gruppen setzen sich weiter dafür ein, dass daraus irgendwann einmal eine gleichberechtigte Ehe wird. Auch bei den Adoptions- und Transrechten gibt es noch viel zu verbessern. Darauf müssen wir immer wieder aufmerksam machen, denn geschenkt wird uns leider immer noch nichts.

Diese Arbeit kann man natürlich als Lobbyismus bezeichnen. Leider ist dieser Begriff durch die Interessenvertreter finanzstarker Branchen wie der Pharma-, Automobil- oder Tabakindustrie in Verruf geraten, die versuchen, in ihrem Sinne Einfluss auf die Politik zu nehmen. So gab etwa der Verband der Europäischen Chemischen Industrie in Brüssel letztes Jahr rund zehn Millionen Euro für Lobbyarbeit aus.

Begriffe wie "Schwulen-Lobby" werten ab

Da geht es bei queeren Vereinen und Projekten deutlich kleinteiliger zu. Aber: Wir sind sichtbarer und lauter geworden. Weil das manchen nicht passt, versuchen sie, unsere Organisationen mit Begriffen wie Schwulen-Lobby abzuwerten.

Es war übrigens nicht Benedikt, der den Begriff der „homosexuellen Seilschaft“ benutzte, sondern sein Interviewpartner Peter Seewald, was dann viele Medien übernahmen. Der Ex-Papst sprach lediglich von einer „Gruppe“. Worin deren Vergehen bestanden haben soll, ist unklar. Und das homophobe Image des Vatikans intakt.

Folge 25: Stehen viele Schwule auf Leder und Gummi?

Folge 24: Haben Homos Humor?

Folge 23: Was haben Lesben gegen Trans-Männer?

Folge 22: Wonach sucht ihr eure Partner aus?

Folge 21: Warum müsst ihr mitteilen, homosexuell zu sein?

Folge 20: Ist Homosexualität angeboren?

Folge 19: Warum ordnen sich Homosexuelle selber in Schubladen ein?

Folge 18: Warum seid ihr Schwulen immer so tuckig?

Folge 17: Wozu braucht man immer noch den CSD?

Dieser Text erschien zunächst in der gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.

Haben Sie auch eine Frage an die Tagesspiegel-Homos? Dann schreiben Sie an: queer@tagesspiegel.de!

Mehr LGBTI-Themen finden Sie auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Folgen Sie dem Queerspiegel auf Twitter:

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false