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Im Film "When Night Is Falling" verliebt sich die lesbische Petra (Rachael Crawford, li.) in die bis dahin heterosexuelle Camille (Pascale Bussières, re.).

© Imago

Queer weiß das (36): Verliebt ihr euch manchmal in Heteros?

Heteros fragen, Homos antworten. Dieses Mal geht es in unserer Kolumne darum, wo die Liebe hinfällt.

Menschen können ja nicht wählen, in wen sie sich verlieben. Jetzt frage ich mich, wie das bei Lesben und Schwulen ist, die vielleicht nicht immer gleich wissen, ob der/die Angebetete ebenfalls homosexuell ist. Verliebt ihr euch manchmal auch in Heteros? Sabine, Kreuzberg

Das kommt vor. Genau wie es andersherum auch passiert, dass sich – wenn auch seltener – Heteras in Schwule verknallen und Heteromänner in Lesben. Und so kennen viele von uns das Gefühl, mehr von jemandem zu wollen, der oder die heterosexuell ist. Der Klassiker in der Teenagerzeit: Du bist verliebt in die beste Freundin oder den besten Freund und leidest, weil deine Gefühle unerwidert bleiben. Daraus folgen oft Enttäuschung, Verletzung und Verwirrung – auf beiden Seiten. In vielen Fällen ist gar die Freundschaft gefährdet.

Besser nicht in eine aussichtslose Richtung flirten

Deshalb heißt es im ungeschriebenen Ratgeber für junge (und alte) Homos: Macht euch nicht unglücklich mit der Jagd nach Heteros, schaut lieber in der eigenen Szene! Die ist schließlich, gerade in Berlin, gar nicht so klein – es gibt Clubs, Vereine, Dating-Apps. Nicht in eine aussichtslose Richtung zu flirten, zu werben und zu lieben, bietet dabei mehr als nur Selbstschutz. Es hat auch mit Respekt vor den Heterosexuellen zu tun. Auch wir wollen schließlich nicht hören, dass da nur der/die Richtige kommen muss, und dann wird das schon. Weder Homo- noch Heterosexualität sind Phasen, die vorübergehen. Das sollten alle akzeptieren.

An dieser Argumentation gibt es allerdings einen Haken: Sie blendet die schillernde Welt des Dazwischen aus. Nicht alle Menschen sind sich ihrer Orientierung so 100-prozentig sicher, wie es nach außen scheint – oder wie sie selber glauben. Manchen fällt erst in der Gegenwart einer ganz bestimmten Person auf, dass sie auch anders lieben könnten, als sie immer dachten. Da viele Homos (und Bisexuelle) selber mal als Heteros angefangen haben, ist ihnen dieses Gefühl vertraut.

Nicht in allen Heteros stecken Homos oder Bis, die wachgeküsst werden können

Manche ziehen daraus den Schluss: Wenn ich mich für die gleichgeschlechtliche Liebe geöffnet habe, kannst du das doch auch. Es gibt schöne Filme wie „When Night Is Falling“ (1995) oder „Imagine You & Me“ (2005), die mit genau dieser Unbestimmtheit spielen. In beiden Fällen werden sicher geglaubte Grenzen verschoben, als sich heterosexuell liierte Frauen in Lesben verlieben – und diese sich in die vermeintlichen Heteras.

Das kann auch im echten Leben mal so laufen. Dass aber in allen Heterosexuellen Homo- oder Bisexuelle schlummern, die nur wachgeküsst werden müssen, ist sicher ein Irrglaube. Ich jedenfalls halte solche Fälle für Ausnahmen – und bin sehr dafür, die Liebe als Homo lieber bei Homos zu suchen.

Folge 35: Nehmen Homosexuelle häufiger Drogen?

Folge 34: Was bedeutet Trumps Sieg für queere Menschen?

Folge 33: Gibt es bei Euch Party-Heterosexualität?

Folge 32: Wann habt ihr eure Homosexualität bemerkt?

Folge 31: Hat Berlin etwa keine Lesbenbar?

Folge 30: Wie ist es, als schwuler Flüchtling hierher zu kommen?

Folge 29: Coming Out als Erwachsener - verschenkte Jugend?

Dieser Text erschien zunächst in der gedruckten Sonnabendsbeilage Mehr Berlin.

Haben Sie auch eine Frage an die Tagesspiegel-Homos? Dann schreiben Sie an: queer@tagesspiegel.de!

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