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Iben (Mia Jexen) und Tina (Nina Rakovec) als Zuschauerinnen einer Performance von Tinas kleinem Bruder.

© Salzgeber

Queere Filme neu auf DVD: Verrückte Nächte

Eine Liebelei in Ljubljana, eine Odyssee durch Griechenland und eine amerikanische Rockband auf Abwegen: Die neuen Queer-DVDs "Dual", "Xenia" und "Girltrash: All Night Long".

„Dual“ von Nejc Gazvoda

Die slowenische Sprache hat eine seltene Besonderheit. Sie kennt neben dem Singular und dem  Plural noch eine dritte Kategorie: den Dual (Dvojina). Er wird benutzt, wenn es um zwei Menschen oder Dinge geht. Der 1985 geborene slowenische Autor und Regisseur Nejc Gazvoda hat seinen zweiten Spielfilm nach diesem grammatischen Phänomen benannt – und zeigt es in einer romantischen Ausprägung. Den Dual bilden die Dänin Iben (Mia Jexen), die wegen eines ausgefallenen Flugs in Ljubljana strandet, und die Slowenin Tina (Nina Rakovec), die ihren letzten Arbeitstag beim Airport-Shuttleservice hat. Als Iben Tanja bittet, noch ein bisschen mit ihr durch die Nacht zu fahren, stimmt sie zu. Es wird später, es wird hell, keine der beiden will ins Bett und so kommen sie sich langsam näher. Alles auf Englisch.

Was zunächst ein wenig an die „Before Sunrise“/“Before Sunset“-Filme von Richard Linklater erinnert, wird leider bald von einem traurigen Geheimnis Ibens überschattet, das ausgerechnet in einer der schönsten Szenen enthüllt wird: Iben und Tina sitzen in einem Café. Jede gesteht der anderen etwas in ihrer Muttersprache, die die andere nicht versteht. Für die beiden ändert sich nach diesem kleinen Spaß nichts, doch das durch die Untertitel informierte Publikum sieht die Geschichte mit anderen Augen. Die Leichtigkeit ist dahin.

Vielleicht wollte Regisseur und Drehbuchautor Nejc ein Gleichgewicht der Problembeladenheit zwischen den Protagonistinnen herstellen. Denn Tanja steckt ebenfalls in einer Krise: Sie lässt ein vom Vater eingefädeltes Bewerbungsgespräch in einer Bank platzen, will nicht den von ihm vorgegebenen Mustern folgen. Tanja wohnt mit Mitte 20 noch immer bei ihren Eltern – keine Seltenheit in südosteuropäischen Ländern. Als sie Iben zum Abendessen mitbringt, hat der Film seine stärksten Momente. Lebensnah und liebevoll blickt Nejc auf den familiären Mikrokosmos, in dessen Zentrum die Mutter mit existenziellen Fragen ringt. Tinas Homosexualität ist dabei angenehmerweise kein konfliktbeladenes Thema. Das wäre wohl auch zu viel gewesen, schließlich hat Nejc für den 24-Stunden-Trip von „Dual“ noch ein wildes Party- und Verfolgungsfinale geplant.

Trotz aller Schwächen des Films: Es ist schade, dass in Deutschland nur auf DVD erscheint und nicht im Kino lief. Allein schon wegen der klangvollen dänisch-slowenischen Spracherkundungen durch Iben und Tanja hätte sich das gelohnt.

"Xenia": Eine schwule Odyssee durch Griechenland

Danny (Kostas Nikouli, links) und sein älterer Bruder Ody (Nikos Gelia) in "Xenia".
Danny (Kostas Nikouli, links) und sein älterer Bruder Ody (Nikos Gelia) in "Xenia".

© Pro Fun

„Xenia“ von Panos H. Koutras

Immerhin kurz im Kino war das Coming-of-Age-Drama „Xenia“ dessen farbintensiven Sommerbilder auf der großen Leinwand deutlich besser zur Geltung kommen als auf dem heimischen Screen. Doch auch im kleineren Format ist dieses Werk noch eindrucksvoll und sehenswert. Im Mittelpunkt steht der 16-jährige Schwule Dany (Kostas Nikouli), der stets einen Lolli im Mund und sein weißes Kaninchen auf dem Arm hat. Nach dem Tod seiner Mutter reist er von Kreta nach Athen zu seinem Bruder Ody (Nikos Gelia). Die beiden kennen ihren Vater nicht, Dany will ihn suchen, dann die Staatsbürgerschaftsfrage der beiden klären und außerdem für Ody einen Startplatz in der TV-Show „Greek Superstar“ ergattern. Widerstrebend lässt sich der Bruder auf das Abenteuer ein, das Panos H. Koutras, der auch das Drehbuch geschrieben hat, mit Anspielungen an die Odyssee und an „Alice im Wunderland“ fantasievoll und wendungsreich in Szene setzt.

Der Held ist als Schwuler und Halb-Albaner ein doppelter Außenseiter

Sein leicht exaltierter Protagonist ist als Schwuler und Halb-Albaner ein doppelter Außenseiter. Diesem Umstand begegnet Dany mit einer Mischung aus Naivität und Ignoranz, Trotz und Träumerei. Zwar bringt er sich und Ody damit immer wieder in Schwierigkeiten, doch letztlich ist es genau die richtige Haltung, basiert sie doch auf dem seinem unverrückbaren Glauben daran, genau so viel wert zu sein wie alle anderen und genau wie sie nach seinem Glück suchen zu dürfen. Es liegt etwas Kindliches in dieser stolzen Ungebrochenheit, die sicher auch mit der geliebten Mutter zu tun hat. Zu der toten albanischen Sängerin spürt Dany weiter eine starke Verbindung. Die Musik ist ein Weg mit ihr – und mit seinem Bruder - in Kontakt zu bleiben.

Mitunter erinnert es an den frühen Pedro Almodóvar, wie Panos H. Koutras (Interview in den DVD-Extras) die Balance zwischen leichten Momenten und ernster Stimmung findet. Man sollte sich „Xenia“ aber auf jeden Fall die Originalversion mit Untertiteln ansehen, in der Synchronisation verliert er viel von seiner Wirkung.

"Girltrash": Eine amerikanische Rockband auf Abwegen

Tyler (Michelle Lombardo) und Daisy (Lisa Rieffel) nach ihrem Auftritt beim Bandwettbewerb.
Tyler (Michelle Lombardo) und Daisy (Lisa Rieffel) nach ihrem Auftritt beim Bandwettbewerb.

© Pro Fun

„Girltrash: All Night Long“ von Alexandra Kondracke

Ein Auto voller junger Frauen, aufgebrezelt und in Partystimmung. Am Steuer Tyler (Michelle Lombardo), Bassistin einer Rockband aus Los Angeles, neben ihr Sängerin Daisy (Lisa Rieffel), die gleich mal ein Lied anstimmt: „Raise your hand if you wanna get laid tonight/if you wanna play tonight/If you just turned gay tonight“. Alle rocken mit und heben natürlich die Hand. Die letzte Zeile ist für Daisys kleine Schwester Colby (Gabrielle Christian), die gerade ihren Collegeabschluss gemacht hat und neuerdings auf Frauen steht - genauer gesagt auf Schauspielerin und Model Misty (Mandy Musgrave). Die sitzt neben ihr, hat aber ihrerseits schon länger ein Auge auf die coole Lederjackenträgerin Tyler - Typ Shane aus „The L Word“ - geworfen.

Die Musicalkomödie beruht auf der "Girltrash"-Webserie

Zusammen durchlebt die Gruppe in Alexandra Kondrackes „Girltrash“ eine turbulente Nacht inklusive Party, Autoklau, Gefängnisaufenthalt, vorgetäuschtem und echtem Sex sowie einem Bandwettbewerb. Die Musicalkomödie basiert auf der gleichnamigen Web-Serie von Angela Robinson, die auch für die Adaption das Drehbuch schrieb, sich dann aber von dem Film distanzierte. Unstimmigkeiten mit den Produzentinnen waren offenbar der Grund. Der Film bietet nett-harmlose Unterhaltung mit einer Handvoll eingängiger Rock-Songs. Er ist eine Art zahme Schwester des durchgeknallten schwedischen B-Movie-Trash-Musical „Dyke Hard“, das kürzlich auf der Berlinale lief. Gerade im Vergleich zu diesem sehr diversen Queer-Film fällt ein Punkt bei „Girltrash“ besonders negativ auf: Die einzige schwarze Figur ist hier eine extrem klischeehaft gezeichnete Gangsterin (Rose Rollins, bekannt aus „The L Word“). Natürlich sind auch die anderen Charaktere nicht sonderlich tiefgründig, aber es gibt eben eine ganze Menge verschiedener weißer Frauen in „Girltrash“. Dadurch, dass die gewalttätige Ghettobraut ganz alleine dasteht, kommt es automatisch zu einer Schieflage und zu einer unguten Repräsentation.

Dieser Text ist auf dem QueerSpiegel, dem neuen queeren Blog des Tagesspiegels, erschienen, den Sie hier finden. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per Email an: queer@tagesspiegel.de. Twittern Sie mit unter dem Hashtag #Queerspiegel – zum Twitterfeed zum Queerspiegel geht es hier.

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