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Ein lesbisches Paar. Die Normen der Community sind auch oft von der Mainstream-Gesellschaft abgeleitet.

© Michael Reichel/dpa-Zentralbild/dpa

Queerspiegel-Newsletter: Mit 30 ist das Coming-out besonders schwer

Coming-out um die 30 - das fällt oft schwerer als in frühen oder späten Lebensphasen. Schuld sind auch Erwartungen der queeren Community, sagt eine Forscherin.

Alter ist nicht unschuldig. Vielmehr sind an Kategorien wie „Jugend“, „Erwachsenwerden“ und „Mid-life Crisis“ gesellschaftliche Rollenbilder geknüpft. Sich im Teenager-Alter outen, in den 20ern sexuell und romantisch verwirklichen und mit 30 (für weiblich gelesene Personen) oder 40 (für männlich gelesene Personen) ein Haus bauen, ein Kind zeugen oder ein Business eröffnen – vor biographiespezifischen Rollenerwartungen sind Queers ebenso wenig gefeit wie Heteros.

„Die Normen in der Community sind oft von denen im Mainstream abgeleitet“, berichtet Claudia Klank. Die Literaturwissenschaftlerin forscht im Rahmen ihrer Doktorarbeit in Stuttgart zum Thema spätes Coming-out. Ihren Schwerpunkt setzt sie dabei auf Menschen zwischen Ende 20 und Mitte 30. „Ich glaube, dass ein Coming-out für Personen, die in ihren Fünfzigern und Sechzigern sind, häufig einfacher ist“, erklärt Klank.

Mit 50 oder 60 ist eine Umorientierung eher akzeptiert

Denn sobald die Kinder aus dem Haus sind, sei eine Phase der Umorientierung und Selbstverwirklichung gesellschaftlich akzeptiert – selbst dann, wenn diese sexueller Art sei.

Anders sehe das für Menschen aus, die ihr Coming-out um die 30 haben – insbesondere dann, wenn kleinere Kinder im Spiel seien. Sie befinden sich häufig in prekären Lagen, weil ökonomische Abhängigkeiten ihre Lebensentscheidungen bestimmen. Das Problem, so Klank, liege auch an einer Pseudo-Toleranz innerhalb der Community. „Wir feiern zwar jedes Jahr landesweit schillernde CSDs, aber unter der Oberfläche geht es dann oft genauso konservativ zu wie im Rest der Gesellschaft.“

Konservative Rollenerwartungen unter queeren Menschen

Die ernüchternde Konfrontation mit konservativen Rollenerwartungen hat Klank selbst erlebt. Als sie ihr Coming-out hatte, ließ sie sich zwar von ihrem Partner scheiden, lebt aber mit ihm und den zwei gemeinsamen Kindern weiterhin in einer Wohngemeinschaft zusammen. Das stößt in der Community bis heute auf Unverständnis.

Unkonventionelle Lebensmodelle und brüchige Lebensläufe jenseits des Strebens nach individuellem Glück, Ehe und Kleinfamilie seien auch hier verpönt, kritisiert Klank. Mit ihrer Arbeit möchte sie den Weg für eine breitere gesellschaftliche Debatte bereiten. In ihrer Forschung untersucht sie daher deutschsprachige Texte von Personen, die sich spät outen und interviewt Menschen darüber, wie sie diese Erfahrung erlebt haben. „Es ist erschreckend, zu sehen, wie wenig im deutschsprachigen Raum zu diesem Thema geforscht wird“, stellt sie fest. Das viel beachtete Ergebnis einer Befragung der TU München, nach dem sechs Prozent aller schwulen Männer im Alter von 45 Jahren nur mit Frauen schlafen, sei etwa nur als ungewolltes Nebenprodukt einer Studie zu Prostatakrebs zustande gekommen.

Studien sind dringend erforderlich

Klank möchte dazu beitragen, diese Forschungslücke zu schließen .

+ + + Der Text ist eine Leseprobe aus dem Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel - hier geht es zur Anmeldung.+ + +

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