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Dayana in einem Einkaufszentrum im Süden von Bogota.

© Giuseppe Palacino/dpa

Transgender in Kolumbien: Als versteckte Transfrau bei der Farc-Guerilla

Zwanzig Jahre lang kämpfte Dayana für die kolumbianischen Farc-Rebellen. Ihre wahre Identität hielt die Transfrau immer geheim - jetzt kann sie sie endlich leben. Ein Porträt.

Ihr Name ist Dayana - als sie bei der Farc-Guerilla kämpfte, hieß sie noch Javier. Die großen, kräftigen Hände sind ein scharfer Kontrast zur weiblichen, langen Mähne, die die Ex-Rebellin trägt.

Dayana stammt aus einer armen Familie und wurde von der Großmutter großgezogen. Die heute 46 Jahre alte Trans-Frau kämpfte zwanzig Jahre lang in den Reihen der Rebellen von Lateinamerikas ältester Guerilla, den „Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia“. Bis zu ihrer Flucht im Jahr 2010 unterdrückte sie ihr wahres Ich.

Geldmangel hatte sie damals dazu gebracht, der Farc beizutreten. Dabei verspürte sie schon immer das Verlangen, sich als Frau zu geben. „In der Farc hätte ich niemals sagen können, dass ich schwul oder transsexuell bin - aus Angst, sie würden mich töten“, erzählt Dayana im Gespräch. In jenen Jahren im kolumbianischen Urwald sah Dayana eigenen Worten zufolge einige sterben, „weil sie homosexuell waren“ und die Farc-Guerilla „dies nicht akzeptiert“.

Sie hatte zwanzig Jahre lang keinen Partner - zu gefährlich

„Ich weiß, dass es mehrere Personen wie mich in der Farc gab, doch sie sprachen aus Angst nie darüber.“ Diese Angst ließ Dayana zwanzig Jahre lang vorgeben, sie sei Javier. Während all dieser Zeit hatte sie keinen Partner. „Es gab einen Mann, der mir gefiel, aber ich habe ihm nie etwas gesagt“, erinnert sich Dayana. „Hätte jemand etwas gemerkt, hätten sie meinetwegen einen Kriegsrat abgehalten.“ In solchen internen „Gerichtsverfahren“ entschieden die Guerilleros, ob jemand aus den eigenen Reihen sterben musste. Oder weiter leben durfte.

Nach Zahlen der kolumbianischen Regierung meldeten sich 1800 Menschen, die zur LGBTIQ-Minderheit gehören und deshalb während des Konflikts mit der Farc Gewalt ausgesetzt waren. Aktivisten sagen, die Dunkelziffer sei höher, da viele lesbische, schwule, trans- oder intersexuelle Opfer Gewalt nicht meldeten. In einem Bericht der Nichtregierungsorganisation „Colombia Diversa“ hieß es, queere Menschen seien zum Ziel von „sozialen Säuberungen“ geworden, um sie „auszuschließen, zu töten, zu vertreiben oder zu vergewaltigen.“

Homosexualität stieß in Augen der Farc gegen die Disziplin

Auch Wilson Castañeda von der Nichtregierungsorganisation „Caribe Afirmativo“ sagt, Schwule seien bei der Farc bestraft worden, weil Homosexualität nach Ansicht der Farc gegen die Disziplin verstieß.

Die Gruppe schloss im November 2016 einen historischen Frieden mit der Regierung - nach mehr als fünfzig Jahren Kampf. Die Ex-Guerilleros wollen nun als Partei für ihre Ziele wie eine gerechtere Landverteilung eintreten. Ein neues Leben aufzubauen, ist schwer, viele fürchten auch Racheakte für die im Untergrund verübten Taten.

Dayana träumte lange von einem Leben außerhalb der Rebellengruppe. Tag für Tag wartete sie auf eine Gelegenheit zu entkommen. 2010 kam der Moment. „Ich war in San José del Guaviare auf Wache, ich kannte die Gegend und wusste, in welchem Abschnitt die (kolumbianische) Armee war“, sagt Dayana. „In der Nacht, als es ganz dunkel war, fing ich an zu laufen und bat einen Bauern, mich mit einem Boot über den Fluss zu bringen.“

Sie fing an, sich zu schminken, das Haar wachsen zu lassen

Als Dayana sich den Behörden stellte, brachten sie sie in die Hauptstadt Bogotá. Einige Zeit danach habe sie mit ihrer Geschlechtsangleichung begonnen, erzählt Dayana weiter. „Es kam der Moment, an dem ich sagte: ,Es reicht, ich werde sein, was ich will'.“ Sie fing an, sich dezent zu schminken, das Haar wachsen und kastanienbraun färben zu lassen und Blusen in Rosé-Tönen zu tragen.

Zurück blieb der Farc-Soldat, für den sie sich nicht schämt. Sie sei nicht gezwungen worden, einzutreten. Sie habe auch niemals versucht, diese Vergangenheit zu vergessen. „Ich weiß, dass ich keine Frau bin, auch kein Mann, ich bin ein transsexuelles Mädchen und glücklich damit.“

In ihrem neuen Leben ohne Waffen versucht Dayana, das Schneiderhandwerk zu erlernen. Sie kaufte zwei Nähmaschinen, doch Arbeit fand sich noch keine - aus Mangel an Erfahrung. So arbeitet Dayana auf Marktplätzen und schleppt dort schwere Pakete mit Lebensmitteln. Ihre beiden besten Freundinnen Andrea und Michelle wissen um ihre Geschichte - auch sie sind Transsexuelle.

Ihr Ziel: ein Ausweis mit ihrem Namen und die Freiheit genießen

Mit ihrer Familie traf sich Dayana einmal in Bogotá, das Verhältnis ist kühl und distanziert. „Meiner Schwester habe ich erzählt, dass ich transsexuell bin, doch sie war nicht sehr glücklich damit. Meine Mutter weiß nichts davon, und das letzte Mal fragte sie mich, wann ich mir die Haare schneiden lasse.“

Zu ihren Zukunftsplänen gehört unter anderem, einen Ausweis mit ihrem neuen Namen zu beantragen und die Hormonbehandlung fortzusetzen, um weiblichere Formen anzunehmen. Vor allem will sie weiter die Freiheit genießen. Eine Freiheit, die sie zwanzig Jahre lang nicht hatte. (dpa)

Giuseppe Palacino, dpa

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