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Berlin: Rabattgesetz: "Gehandelt wird, solange es Menschen gibt"

An der Markise des Import- und Exportgeschäfts in der Oranienstraße in Kreuzberg hängen Plastikblumen - Efeu- und Geranienranken - in den schrillsten Farben. Darunter stehen kleine braune Beistelltische aus Plastik, in die raffinierte Ornamente eingraviert sind.

An der Markise des Import- und Exportgeschäfts in der Oranienstraße in Kreuzberg hängen Plastikblumen - Efeu- und Geranienranken - in den schrillsten Farben. Darunter stehen kleine braune Beistelltische aus Plastik, in die raffinierte Ornamente eingraviert sind. Innen blinken und blitzen die Lichterketten und auch all die anderen nützlichen Dekorations-Gegenstände aus Glas und Plastik.

Auf die in Türkisch gestellte Frage, ob man bei ihm handeln kann, reagiert der Besitzer des Ladens, Erdogan Tunc, sofort: "Ja." Bei einem Produkt, das zehn Mark kostet, will er eventuell auf neun oder acht Mark runtergehen. Doch als er hört, dass das Rabattgesetz abgeschafft werden soll, schlägt er die Hände über dem Kopf zusammen: "Oh nein, dann wird es hier wie in der Türkei!" Dabei denkt er an die Landsleute, die täglich in seinen Laden kommen und um jeden Pfennig feilschen. "Wenn jetzt auch noch die deutschen Kunden auf die Idee gebracht werden, wird es noch schlimmer", befürchtet er. Ein Albtraum für ihn. "Bei kleinen Beträgen zu feilschen, ist anstrengend und raubt Zeit", sagt er.

In dem Schuhladen gegenüber befindet sich der Kunde dagegen in einer anderen Welt. Auf die Frage, ob sie die ermäßigten Schuhe etwas billiger verkaufen kann, reagiert die Verkäuferin verdutzt. "Die sind doch schon so billig." Ihr sei es noch nie passiert, dass einer feilschen will, sagt sie. Die Preise mache sowieso der Chef in Westdeutschland. Auch der schrill bunte Laden in der Kaiser-Wilhelm-Passage in Schöneberg verführt - aus orientalischer Sicht gesehen - regelrecht zum Feilschen. Dort werden Gebrauchsgegenstände mit originellem Design verkauft, wie zum Beispiel eine Kommode, Salatbesteck oder ein Feuerzeug. Dem Mann hinter der Kasse ist das Thema nicht fremd: "Viele ausländische Kunden wollen handeln. Ich habe keine Probleme damit", sagt er. Schließlich habe der Händler die Freiheit, ja oder nein zu sagen. Heute habe er beispielsweise eine leicht beschädigte Kerze statt für 11 Mark 90 für 10 Mark verkauft.

Im Hifi-Laden von Dieter Frischke in der Schöneberger Hauptstraße läuft schon heute nichts mehr ohne "Rabatt". "Solange es Menschen gibt, wird gehandelt", sagt der Geschäftsmann. Das Gesetz sei deshalb schon lange überfällig. Mit drei Prozent Nachlass gebe sich heute kaum ein Kunde zufrieden. Ein Mitarbeiter habe im vergangenen Monat 70 Prozent seiner Ware ermäßigt verkauft. "Man kalkuliert: Was bleibt übrig."

Frischke rechnet damit, dass die Kunden schon in den nächsten Monaten mutiger werden und sich damit die Zahl derer steigen wird, die um einen Nachlass handeln. Die Zahl der Kunden werde dagegen gleich bleiben, vermutet er. Schließlich sei Deutschland aus seiner Sicht nicht das Land des Feilschens, wie zum Beispiel der Orient. "Vielleicht wird mir nichts anderes übrig bleiben, als zusätzliche Handelsspannen einzukalkulieren", scherzt er. Seine Ehefrau, die nebenan ein Porzellanladen besitzt, wehre sich noch. HiFi-Händler Frischke vermutet, dass auch sie nicht umhin kommen wird, sich auf die neuen Verhältnisse einzulassen. "Damit werden wir leben müssen, auch wenn wir heute noch nicht wissen, wie es wird." Frischke: "Sprechen wir uns in einem Jahr wieder."

suz

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