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Berlin: Rad, Satz, Sieg

Piercings, Tattoos, Hängehosen: So sehen echte BMX-Fahrer aus. Erstmals treffen sich die Trick-Radler zur Deutschen Meisterschaft in Berlin

Für Tobias Wicke gibt es genau eine Forderung, die ein Mädchen niemals stellen darf: „Ich oder BMX.“ Beim Sport versteht der 21-jährige Falkenseer keinen Spaß. „Meine Leidenschaft Fahrrad fahren habe ich schon seit zehn Jahren, da kann eine Freundin so schnell nicht mithalten.“ So viel zu den Prioritäten eines BMX-Fahrers. Gleich 400 Trick- Radler treffen sich vom heutigen Freitag an zu den German Open 2003 im Mellowpark in Köpenick.

Dass die BMX-Artisten aus Deutschland, Frankreich, Österreich, England und den Niederlanden jetzt erstmals in Berlin noch bis Sonntag über Rampen, Geländer und Wände rollen, haben sie dem Amerikaner Mat Hoffman zu verdanken. Der Pionier des Off- Road-Radfahrens begründete die Trendsportart einst in den Achtzigern. Damals drehten Jugendliche auch in Berlin auf dem Breitscheidplatz mit den Bonsai-Bikes erste Runden. „Mat Hoffman ist zwar steinalt, so Anfang dreißig, aber er ist der Beste“, sagt Jan Bekurtz aus Köpenick voller Respekt. Aber während der offenen Berliner Wettkämpfe gehört sein Kumpel Tobias im Freistil zu den Favoriten.

Der 21-Jährige hat gerade seine Lehre als Industrielackierer abgeschlossen und leistet jetzt Zivildienst im Jugendzentrum „Alleins“ am Mellowpark. Künftig will Tobias sein Geld aber lieber als Fahrradprofi verdienen. „Beim Contest in Prag letztes Wochenende bin ich Erster geworden“, sagt er, „und so ein Preisgeld alle zwei Monate, das wäre ein cooles Leben.“ Viel Geld braucht man als BMXer schließlich nicht. Die Starter von außerhalb haben die Übernachtung in Berlin gespart und ihr Zelt im Mellowpark aufgebaut. Am teuersten kommt noch das Hobby – ein Profirad kostet etwa 2000 Euro. Tobias Wicke greifen inzwischen Sponsoren aus der Sportartikelbranche unter die Arme. Aber damit könnten die Probleme für den 21-Jährigen innerhalb der BMX-Szene schon beginnen.

„Die Leute sind extrem kritisch gegenüber jeglichem Kommerz“, sagt Hans Friedrich, 22, Mellowpark-Mitarbeiter und einer der Organisatoren der Deutschen Meisterschaft. „Nur die wenigsten verstehen, dass größere Events aber nur so auf die Beine zu stellen sind“, sagt Hans – nebenbei Chefredakteur des Hochglanz-BMX-Magazins „Zwanzig“. Wenn die Trickradler wüssten, dass selbst die Berlin Tourismus Marketing mit der Meisterschaft bundesweit wirbt. „Die Fahrer adeln Berlin zur Trendsportmetropole“, heißt es in deren Presseerklärung.

Bei den BMX-Startern liegen Piercings im Trend, Bärtchen, Tattoos. Nackte, muskulöse Oberkörper und hängende Hüfthosen. Etwa bei den Fahrern der „Dirt“-Disziplin – das sind die, die über Erdhügel springen: Motocross für Radler. Die „Flatland“-Fahrer wiederum vollführen ihre Tricks auf dem platten Asphalt – und sind bei den herben Cross-Radlern nicht hoch angesehen. „Aber eigentlich sind wir ganz freundliche Kerlchen“, sagt Tobias’ Kumpel Jan und grient.

In den USA werden BMX-Fahrer sogar zu Vorbildern für Jugendliche stilisiert, das hat Tobias gerade bei seiner Showtour durch Freizeitparks in Kalifornien erfahren. „Die Amerikaner freuen sich, wenn sie mal in Deutschland starten und nach dem Contest ein Bierchen trinken oder eine rauchen dürfen.“ Tobias macht seine Zigarette jetzt aus. Genug geredet. „Ich lebe 24 Stunden BMX. Das ist eine Sucht“, sagt er und steigt aufs Rad. Wenn andere sich beim Einkaufsbummel die Schaufenster anschauen, hat er nur Augen für Treppen, Stufen, Geländer. „Aber manchmal“, sagt sein Kumpel Jan noch, „da gucken wir doch den Mädchen hinterher.“

Annette Kögel

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