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Bereit zum Kehren. Berlins Winterdienste sind auf die Schneesaison vorbereitet.

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Räumpflicht: Winterdienste haben die Preise verdoppelt

Wegen verschärfter Räumpflicht investieren Firmen in Personal und Geräte. Auch Hausbesitzer müssen mit Bußgeldern rechnen, wenn sie Wege nicht frei halten. Das kann Folgen für die Mieter haben.

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Eisglätte, Flockenwirbel, Minustemperaturen: Noch ist es nicht soweit. Aber trotz der letzten schönen Herbsttage bereiten sich die Berliner Winterdienste schon intensiver denn je auf den ersten Schneefall vor. Auch viele Hausbesitzer, die vor ihrer Tür selbst schippen und kratzen, haben sich bereits auf erheblich anstrengendere Einsätze in der kommenden Wintersaison eingestellt als in früheren Frostperioden. Grund sind die neuen gesetzlichen Regelungen zum Winterdienst. Gehwege müssen gründlicher von Eis befreit und oft breiter geräumt werden als bisher. Allein verantwortlich sind dafür künftig die Hauseigentümer, egal, ob sie selbst anpacken oder Firmen beauftragen. Und die Winterdienste langen jetzt kräftig zu: Ihre Preise haben sich seit 2010 im Durchschnitt verdoppelt .

Das neue Gesetz gilt zwar schon seit Mitte November 2010, doch mit dem unmittelbar folgenden Wintereinbruch waren weder Räumdienste noch Hauseigentümer in der Lage, den kurzfristig verschärften Anforderungen zu genügen. Der Winter 2011/12 gilt daher als erste wirkliche Bewährungsprobe für das neue Winterdienstegesetz.

„Viele Unternehmen haben stark investiert“, sagt Falk Eckert, Geschäftsführer des zweitgrößten Berliner Räumdienstes „Kanold“. Seine Firma habe 2011 rund 2,5 Millionen Euro für neue Fahrzeuge, Technik und Logistik ausgegeben. Nun könne man in sechs Stunden mit 400 Leuten und 230 Pflügen und Kehrmaschinen 2,4 Millionen Quadratmeter reinigen. Dafür wurde das Personal verdoppelt.

Andere Firmen scheuten Neueinstellungen. Sie nahmen stattdessen lieber weniger Aufträge an und verringerten die Zahl ihrer Touren. Nur so könnten sie es schaffen, die Gehwege der verbliebenen Kundschaft öfter als bisher zu reinigen, sagt die Sprecherin des Verbandes der Winterdienste, Katja Heers. Der Aufwand sei jetzt erheblich höher – und teurer. Für Mieter sollen die Folgen des Preisanstiegs aber moderat ausfallen. Die Kosten für die Straßenreinigung machen nur ein bis zwei Prozent der Warmmiete aus. Nach Berechnungen des Berliner Mietervereins kommen auf den einzelnen Mieter durchschnittlich 2,60 Euro Mehrkosten pro Monat zu.

Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) erklärte in der vergangenen Woche, die neue Regelung berge „noch erhebliches Potenzial für weitere Verbesserungen“. Schließlich ist das Winterdienstegesetz die Folge des Schneechaos im Winter 2009/10. Drei Monate lang war die Stadt ständig verschneit und vereist, private Räumdienste bekamen die Lage nicht mehr in den Griff, etliche hatten sich aus Kostengründen nur auf einen schwächeren Winter vorbereitet. Als Reaktion darauf regelte die rot-rote Landesregierung die Räum- und Haftungsfragen eindeutiger als bisher. Nach dem neuen Gesetz haften nun ausschließlich die Hausbesitzer für Stürze und andere Unfälle auf schlecht geräumten Wegen. Sie müssen die Arbeitsqualität der beauftragten Firmen also künftig streng kontrollieren. Zuvor konnten sie die Verantwortung auf die Räumdienste abschieben.

Die zweite gesetzliche Verschärfung regelt genauestens den Einsatz gegen Schnee und Eis. Glatteis muss nach Schneefällen durch rasche und häufigere Räum- und Streueinsätze vermieden werden, zur Not soll man Eis auch teilweise weghacken. Komplett bis auf den Grund sind Gehwege aber nicht vom Eis zu befreien. Das hatte die Koalition zwar ursprünglich vorgesehen, doch angesichts des heftigen Widerstandes der Winterdienste relativierte sie diese Anforderung. Erst von diesem Winter an muss zudem auf den Gehwegen von Hauptstraßen und vielen Geschäftsstraßen ein 1,50 Meter breiter Streifen freigemacht werden. Damit tritt die letzte Stufe des Gesetzes in Kraft. Dies galt in der vergangenen Räumsaison noch nicht, weil dafür erst neue Leistungsverträge mit den Winterdiensten abgeschlossen werden mussten. Bislang war überall nur ein etwa ein Meter breiter Streifen vorgeschrieben.

Mit verstärkten Kontrollen müssen Berlins Hausbesitzer nun vom ersten Schneefall an rechnen. Prüftrupps waren schon im vergangenen Winter unterwegs. Bußgelder bis zu 10 000 Euro drohen säumigen Anrainern. Allein in Friedrichshain-Kreuzberg schrieb das Ordnungsamt bis Mitte Dezember 2010 mehr als 80 Anzeigen. 20 bis 30 Klagen aus der letzten Saison seien berlinweit noch beim Verwaltungsgericht anhängig, schätzt Gerichtsvizepräsident Wilfried Peters. Bei den bisherigen Verfahren hätten meist die Ämter gewonnen. Die Bürger wehren sich gegen das harte Durchgreifen der Bezirke: Diese verschickten nicht nur Bußgelder, sondern beauftragten auch Winterdienste, beanstandete Gehwege zu räumen. Die Rechnungen bekamen die Hausbesitzer.

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