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Kein Platz für Revolution. Hans-Georg Lindenau soll den Laden räumen.

© Mike Wolff

Räumungsstreit um Linken Szeneladen in Kreuzberg: M-99 will bleiben - Linke Gruppen künden Proteste an

Der Streit um den Anarcho-Retro-Laden M-99 in Kreuzberg setzt sich fort - die Polizei stellt sich auf eine Räumung ein.

Der Streit um die letzten Quadratmeter Westberliner Anarcho-Retro-Kultur in Kreuzberg nimmt kein Ende: Hans-Georg Lindenau, Gründer und Betreiber des linksautonomen Buch- und Demo-Devotionalien-Gemischtwarenhauses „M-99“, hat einen Räumungsschutzantrag eingereicht und dafür gesundheitliche Gründe geltend gemacht, wie eine Gerichtssprecherin sagte. Damit muss das Amtsgericht erneut entscheiden, ob die bevorstehende Räumung von Lindenaus Wohnungen in der Manteuffelstraße 99 am kommenden Dienstag, die auf Antrag der Hauseigentümer zuvor gerichtlich verfügt worden war, stattfinden kann – oder erst einmal verschoben wird.

„Das wird von den Gerichten wohl bis zum 9. August entschieden“, sagte der Rechtsanwalt der Hauseigentümer Cornelius Ernst Wollmann. An einer Räumung halte er derzeit fest. Über die Bedingungen eines freiwilligen Auszuges von Lindenau sei er aber jederzeit zu Gesprächen bereit. Auch wenn die Entscheidung noch aussteht, wird auf der linksextremen Plattform indymedia bereits zu Protesten gegen die Räumung aufgerufen. "Der  auf den Rollstuhl angewiesene Ladenbetreiber Hans Georg Lindenau (HG) würde damit nicht nur seinen Arbeits- und Lebensmittelpunkt sondern auch eine Wohnung verlieren", heißt es dort.

Lindenau: "Ich setze auf sein Versprechen, dass es keine polizeiliche Räumung gibt“

Lindenau bleibt hingegen optimistisch: „Der Hauseigentümer ist Kultur von oben, ich bin Kultur von unten, ich setze auf sein Versprechen, dass es keine polizeiliche Räumung gibt“, sagt er, der ebenfalls das Gespräch trotz Räumungsandrohung weiterhin sucht.

Die Hauseigentümer hatten die Immobilie Wollmann zufolge vor etwa drei Jahren erworben und behutsam saniert, damit die Alt-Mieter in dem Haus bleiben können. Auch Lindenau seien mehrere Angebote zur weiteren Nutzung der Flächen unterbreitet worden, die dieser abgelehnt habe. Er selbst habe 100 000 Euro für seinen Auszug gefordert. Lindenau dazu: „Meine Waren sind 200 000 Euro wert, wenn ich die ersetzt bekomme, ziehe ich aus.“

Das Gericht gab der Räumungsklage statt, trotz einer schweren Behinderung, wegen der Lindenau im Rollstuhl sitzt. Ausschlaggebend war Wollmann zufolge dessen „unerlaubte pensionsartige Untervermietung“ des ersten Obergeschosses. Während der zahlreichen Termine vor Gericht seien mögliche Untermietverhältnisse verhandelt worden, so zum Beispiel mit einer drogenabhängigen Frau sowie mit einer Schwangeren. Letzterer hätten die Hauseigentümer einen eigenständigen Mietvertrag über eine Wohnung mit zwei Zimmern im Hause an der Manteuffelstraße angeboten, zu Sozialhilfesätzen. Lindenau selbst sagt, seine Lebensgefährtin sei Untermieterin. Darüberhinaus habe er eine Person betreut. Im Übrigen habe der Hausverwalter die Untervermietung bei einer Begehung „gebilligt“. Die angedrohte Räumung belaste ihn und seine Mutter so, dass schwere Erkrankungen drohten.

Bei der Senatsverwaltung für Inneres heißt es, der Streit werde als „zivilgerichtliches Verfahren“ geführt, für das die Verwaltung nicht zuständig sei. Wenn alle rechtlichen Voraussetzung dazu erfüllt seien und ein entsprechendes Ersuchen des Gerichtsvollziehers vorliege, werde die Polizei Amtshilfe leisten.

Der Mitte der 1980er Jahre von Lindenau gegründete „M-99 Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf“ zählt zu den Berliner Kuriosa, die längst einen festen Platz in vielen internationalen Reiseführern haben.

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