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Autos waren ihr Leben: Heidi Hetzer, hier in einer Chevrolet Corvette.

© Robert Schlesinger/dpa

Rallyefahrerin Heidi Hetzer ist tot: „Ich lebe nicht mehr, aber ich habe gelebt“

Heidi Hetzer war Unternehmerin, Rallyefahrerin, Prominente – und eine so mutige wie warmherzige Frau. Ein persönlicher Nachruf.

„Geht nicht, gibt’s nicht“, lautete Heidi Hetzers Motto. Vorbildhaft hat sich die Tochter eines Autohändlers schon als junge Frau verhalten, als sie das Familienunternehmen erst rettete und dann mit viel Geschick ausbaute. Zum Vorbild für viele wurde die Rallyefahrerin in den Jahren vor ihrem 80. Geburtstag, als sie mit Hudo, einem Oldtimer, der älter war, als sie selbst, die Welt umrundete.

Am Osterwochenende ist sie im Alter von 81 Jahren gestorben. Auf ihrer Instagram-Seite ist jetzt in weißen Lettern auf schwarzem Grund zu lesen: „Ich lebe nicht mehr, aber ich habe gelebt.“

Nichts konnte sie aufhalten

Treffender kann man es wohl nicht ausdrücken. Nichts konnte sie aufhalten auf ihrer großen Tour. Als ihre Hand in Kanada unglücklich in den Motor geriet und sie einen Finger verlor, bedeutete das eine Unterbrechung, aber keineswegs das Ende des Abenteuers. Sie bat dem Arzt, in den Gips eine Mulde so zu formen, dass sie den Schaltknüppel gut greifen konnte. Zu ihrer Trauer über den verlorenen Finger stand sie, aber sie blieb dabei nicht stehen.

Als sie unterwegs eine Krebsdiagnose bekam, flog sie für die notwendige Operation nach Deutschland. Knapp vier Wochen später sprang sie vom Krankenbett auf, fuhr direkt zum Flughafen, um zu Hudo zurückzukehren, der in Lima auf sie wartete, und zu weiteren Abenteuern, über die sie in ihrem Buch „Ungebremst“ ausführlich berichtet hat.

Das Buch gibt auch Zeugnis von ihrer Fähigkeit zur Selbstironie. Was macht man, wenn das Auto, Baujahr 1930, in Kasachstan so kaputt geht, dass nicht mal sie, die geniale Mechanikerin, es eigenständig reparieren konnte? In der örtlichen Werkstatt konnte sie sich zunächst nicht verständlich machen, dann kam sie auf die Idee nach einer Schule zu fragen und die Englischlehrerin als Dolmetscherin einzuspannen. Nichts konnte sie aufhalten.

Nachdem sie mit Hudo 40 Länder durchquert hatte und dabei 34 mal in die Werkstatt musste, kleine Pannen am Wegesrand nicht mitgezählt, taufte sie ihre Weltreise kurzerhand um in „den internationalsten Werkstatttest, der je unternommen wurde.“

Erst kürzlich fragte sie in Kapstadt zwei Männer nach dem Weg, so ziemlich gegen Ende ihrer jüngsten Tour längs durch den afrikanischen Kontinent. Sie raubten sie aus, aber das war keineswegs ihre einzige negative Erfahrung. Diesmal waren Geldkarten, Tablet und Handy weg, Auch früher war ihr Auto schon ausgeräumt worden. Neben anderen Wertsachen, ist auf der Weltreise jeder Talisman gestohlen worden, den sie besaß. Das brachte sie zu der positiven Einsicht, dass ein Schutzengel am allerbesten im Kopf aufgehoben ist.

„Mit Angst kommst du nicht weit“

Um Diebe abzuschrecken, hatte sie ihren neuen Wagen, mit dem sie seit November durch Afrika reiste, immerhin mit pinkfarbener Folie bekleben lassen, weil Männer, davon war sie überzeugt, diese Farbe nicht mögen. Bis zum Schluss hat sie ihre Fähigkeit behalten, zu staunen und dankbar zu sein für das, was sie erlebte und sah, offen auf Fremde zuzugehen und sie zu mögen. Oft ist sie gefragt worden, ob sie keine Angst habe. „Nein“, hat sie dann immer gesagt. „Mit Angst kommst du nicht weit.“

In Berlin kannte sie fast jeder. Durch ihren angestammten Kiez in Charlottenburg, rund um die Deutsche Oper, konnte sie praktisch nicht spazieren gehen, ohne dass immer wieder Menschen auf sie zukamen. „Heidi! Heidi!“, riefen, wie man eine uralte Freundin ruft.

Doch oft waren es Fremde, die ihren Blog verfolgten, Bewunderer, die jedes veröffentlichte Detail ihrer Tour kannten. „Toll gemacht“, sagten manche spontan. Seit sie zurück war aus der Welt, duzte sie selber gerne die Menschen, die ihr so begegneten. Das habe sie unterwegs so gelernt.

Nach zweieinhalb Jahren und rund 84.000 Kilometern wurde sie im März 2017 in Berlin begeistert empfangen und schien selber überrascht zu sein. Ihren 80. Geburtstag feierte sie mit einem großen Fest und 250 Gästen, natürlich im ehemaligen Meilenwerk. Gerührt war sie über die 1600 Fans, die im letzten September zu ihrer Buchpräsentation ins Hotel Moa kamen.

Omnipräsent in der Berliner Gesellschaft

Mit dabei war auch der Vater ihrer Kinder Dylan und Marla, der Amerikaner Bob Mackay. Mit dem war sie 24 Jahre lang verheiratet, blieb auch nach der Trennung befreundet mit ihm. Die Signierstunde wollte gar nicht mehr aufhören. Sie war schon vorher beliebt und wurde immer populärer.

Auch als Autohaus-Chefin war sie omnipräsent in der Berliner Gesellschaft. Die Abenteuerlust hatte sie wohl von ihrem reiselustigen Vater geerbt, der 1919 das Autohaus Hetzer gründete. Als er 1969 starb, hinterließ er der Tochter ein angeschlagenes Unternehmen, das sie auch aus Verantwortungsgefühl für die Angestellten, zum Erfolg führte.

Schon Mitte der 70er Jahre konnte sie sich ihren ersten Oldtimer leisten. Über Public Relations hatte sie in ihren Lehrjahren als junge Automechanikerin in den USA der 50er Jahre viel gelernt. Der Opel der, gut sichtbar von der Stadtautobahn, drei Jahrzehnte lang auf dem Dach ihres Autohauses thronte, war fast zu einem inoffiziellen Wahrzeichen geworden.

Sie machte Träume wahr

Berühmt waren die Handtaschen in Form eines Opels, die sie in jeder Farbe besaß, passend zu allen ihren Outfits. Als sie das Familienunternehmen im Sommer 2012 verkaufte, nahm die Vorbereitung auf die große Rallye um die Welt eine Hauptrolle in ihrem Leben ein. Niemand konnte sich vorstellen, dass sie sich mit 75 Jahren einfach so zur Ruhe setzt.

Ihr großes Vorbild war Clärenore Stinnes, die im Alter von 27 Jahren Ende der 20er Jahre die Welt umrundet hatte. Rallyes war sie ja schon lange gefahren, hatte um die 150 Preise dabei gewonnen.

In der Pause zwischen der Weltumrundung und dem Aufbruch nach Afrika im letzten November war sie in Berlin viel unterwegs mit ihrem Segway. Mit dem hatte sie eines nachts Anfang 2018 einen schweren Unfall, flog in der Nähe ihrer Wohnung über den Lenker im hohen Bogen hinweg zu Boden. Es dauerte eine Weile, bis sie die Verletzungen auskuriert hatte, ihre Sorge, dass man ihrem Gesicht die Folgen ansehen würde, bewahrheitete sich aber nicht.

Als Anfang des Monats bei der Victress-Gala ein nach ihr benannter Preis für eine hoffnungsvolle Nachwuchs-Siegerin verliehen wurde, ließ sie sich per Video mit einer kurzen Botschaft aus Südafrika einspielen, gebräunt, sportlich, mit kurzen blonden Haaren und dieser für sie typischen warmen, herzlichen, gnadenlos positiven Ausstrahlung. Das war vielleicht ihr letzter öffentlicher Auftritt in der Stadt.

In ihrer Firma klebte in ihrem Büro früher zwischen Pokalen und Trophäen ein Metermaß an der Wand. Ein Zentimeter für jedes Lebensjahr. Bei einem Interview im Oktober 1998 war es aufgerollt bis 81. Die Strecke bis 61, so alt war sie damals, war bereits schwarz durchgestrichen. „Das Band erinnert mich daran, dass ich noch so viel machen will und dass ich mich damit ein bisschen beeilen muss, weil nur noch eine kurze Strecke bleibt“, sagte sie damals.

Im Alter von 81 Jahren wurde sie nun tot in ihrer Charlottenburger Wohnung gefunden. Als alte Frau im Lehnstuhl wäre sie kaum vorstellbar gewesen. So bleibt die Erinnerung an eine mutige, abenteuerlustige, warmherzige und einfallsreiche Frau, die ihre Träume wahr gemacht hat.

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