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„Ramelow abgewählt! Großartig!“: Ex-Innensenator Frank Henkel sah den Gegner in Thüringen zuerst links.

© Jörg Carstensen/dpa

„Ramelow abgewählt! Großartig!“: So freuten sich Berliner CDU-Politiker über die Wahl Kemmerichs

„Betonfraktion“ statt liberaler Hauptstadtpartei? Die Thüringen-Wahl legt die Spaltung der Berliner CDU offen. Einige sind entsetzt – über die eigene Führung.

Von Ronja Ringelstein

Es ist in diesen Zeiten die Gretchen-Frage der CDU: Wie hält sie’s mit der AfD? Stimmen werden lauter, die den Berliner Christdemokraten eine ungenügende Distanzierung zu den Rechtspopulisten vorwerfen – auch aus den eigenen Reihen. Ausgangspunkt waren die Geschehnisse in Thüringen, wo der FDP-Politiker Thomas Kemmerich am Mittwoch auch mit den Stimmen der AfD, der FDP und der CDU zum Ministerpräsidenten gewählt worden war.

Inzwischen hat er seinen Rücktritt angekündigt, doch zuvor war ein politisches Beben durch die Republik gegangen. Ein Ministerpräsident von Gnaden der AfD, das sei ein Tabubruch, ein Dammbruch, hieß es. Zumal in Thüringen ein Björn Höcke Chef der AfD ist, einer, der nach einem Gerichtsurteil als „Faschist“ bezeichnet werden darf.

CDU in vielerlei Hinsicht gespalten

Doch in der Berliner CDU-Fraktion freuten sich viele über das Wahlergebnis, das zeigen Kommentare in einem Chat-Verlauf der CDU-Fraktion. Aus CDU-Kreisen erfuhr der Tagesspiegel, wie die ersten Reaktionen auf die Wahl Kemmerichs waren. Frank Henkel, ehemaliger Innensenator, sagte: „Ramelow abgewählt! Großartig!“; Sven Rissmann, Kreischef in Mitte, befand es als „gut, dass der Kommunist weg ist“. Weitere stimmten zu.

Die ehemalige Staatssekretärin Emine Demirbüken-Wegner sieht das genauso und vermutet, dass nun „bundespolitischer Aufruhr ohne Ende“ folgen werde. Womit sie recht behielt. Es zeigt, dass die Fraktion der CDU auch in dieser Hinsicht gespalten ist.

Kai Wegner, seit Mai 2019 Landeschef, hat zwar Ruhe in eine teilweise sehr zerstrittene Berliner CDU gebracht. Er konnte zumindest im Landesverband auch eine Aufbruchstimmung erzeugen, doch davon ist in der Fraktion im Abgeordnetenhaus wenig zu spüren. Die Fraktion scheint, seit der Innenpolitiker Dregger Mitte 2018 die Führung übernahm, noch weiter nach rechts gerückt zu sein. „Betonfraktion“ wird sie aus den eigenen Reihen genannt.

Nicht alle sind darüber glücklich, träumten sie doch auch immer wieder davon, eine „liberale Hauptstadtpartei“ zu sein. Vielmehr könnte nun der Eindruck entstehen, dass es der Berliner CDU in erster Linie um die politische Bekämpfung der Linken geht als um die Bekämpfung der AfD.

Keine Zusammenarbeit mit Linken oder AfD

In ihren ersten Reaktionen auf die Thüringer Wahl hatten weder der CDU-Landeschef Kai Wegner noch der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger, von einem Tabubruch oder Ähnlichem gesprochen. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Wahl Kemmerichs mit AfD-Stimmen als „unverzeihlich“ kritisierte und indirekt Neuwahlen forderte, hatte Burkard Dregger es als „demokratische Entscheidung, die nicht zu kritisieren ist“ bezeichnet.

Blick nach rechts. CDU-Fraktionschef Burkard Dregger fand an der Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerichs zum thüringischen Ministerpräsidenten mit Hilfe der AfD zunächst nichts Kritikwürdiges. Das nehmen ihm auch Parteifreunde übel. Foto: Christoph Soeder/dpa
Blick nach rechts. CDU-Fraktionschef Burkard Dregger fand an der Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerichs zum thüringischen Ministerpräsidenten mit Hilfe der AfD zunächst nichts Kritikwürdiges. Das nehmen ihm auch Parteifreunde übel. Foto: Christoph Soeder/dpa

© dpa

Landeschef Kai Wegner hatte zwar bekräftigt, „es wird keine Zusammenarbeit mit Linken oder AfD geben“, kritisch über den Wahlhergang hatte er sich allerdings nicht geäußert. Ein Berliner Abgeordneter, der schon lange dabei ist, sagte dem Tagesspiegel, „die Wahl in Thüringen und deren Bewertung durch Herrn Dregger hat bei mir blankes Entsetzen hervorgerufen“.

[Die neuesten Entwicklungen zum Wahlbeben in Thüringen stehen in unserem Liveblog unter diesem Link.]

Andere sehen in der Aussage Dreggers einen Beweis dafür, dass dieser „politisch naiv“ sei. Auf seine Aussage angesprochen, wies Dregger am Donnerstag auf das große Dilemma in Thüringen hin. Beschlusslage der CDU sei, dass es keine Zusammenarbeit mit Linken und AfD gebe. Daher sei es richtig gewesen, die Kandidaten der AfD und der Linken zu verhindern, sagte er.

„Auch eine Enthaltung der CDU hätte einen Linken ins Amt gebracht. Trotzdem gilt: Die AfD darf überhaupt keinen Einfluss auf Regierungshandeln haben, ohne Wenn und Aber.“ Im Laufe des Donnerstags sah sich Kai Wegner gleich zweimal aufgefordert, öffentlich zu erklären, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen ist.

Zu wenig Distanzierung von der AfD

Nachdem er zunächst die Aussage vom Mittwoch variierte und schrieb: „Es darf keine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit oder Abhängigkeit von der AfD geben“, reagierte er am Nachmittag auf die Vorwürfe des SPD-Fraktionschefs Raed Saleh.

Dieser hatte gesagt, Dregger und Wegner hätten sich mit ihren Aussagen „völlig disqualifiziert“. Wegner warf Saleh dann selbst vor, „mit seiner Hetze“ das Geschäft der AfD zu betreiben. „Mein Anspruch ist es, die AfD wieder aus den Parlamenten herauszudrängen.“ Sein Ziel sei die CDU als „starke Volkspartei der Mitte“.

In den Reihen der CDU-Fraktion aber scheinen sie sich Sorgen zu machen. Man müsse aufpassen, um mit anderen Parteien gesprächsfähig zu bleiben, sagt einer. Auch die Grünen hatten der Union am Donnerstag zu wenig Distanzierung von der AfD vorgeworfen – diese wären aber eine Bündnisoption, mit der auch Wegner liebäugelt.

Erst vor zwei Wochen hatte Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek es als eine Art Bedingung formuliert: Bei einer Podiumsdiskussion mit Wegner sagte sie, sie sehe die wichtigste Aufgabe der CDU darin, eine deutliche Grenze nach rechts zu ziehen.

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